Abstract (deu)
Die Arbeit untersucht die Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit in Österreich aus einer konsumhistorischen Perspektive. Auf Nachfrageseite wird der private „Konsum“ als komplexes Gebilde von ökonomischen, sozialen und kulturellen Praktiken, auf Angebotsseite die „Werbung“ als wesentlicher Indikator für unternehmerischen Optimismus bzw. Pessimismus und Konsumklima analysiert. Zeitliche Eckpunkte der Untersuchung bilden die Jahre 1928, als eine gute Wirtschaftslage zarten Optimismus sprießen ließ, und 1934, als die in Österreich 1931 massiv einsetzende Krise ihren Höhepunkt leicht überschritten hatte, wenn sie auch noch keineswegs beendet war. Als Quellen auf der Nachfrageseite dienen vor allem zeitgenössische quantitative Studien sowie autobiografische Texte über den Konsum, die differenzierte Einblicke in Handlungsspielräume, ausgaben- und einnahmenseitige Strategien sowie Mentalitäten der damaligen Akteurinnen und Akteure erlauben. Auf Angebotsseite werden Annoncen als wesentliche Werbemittel in den vorrangigen Werbeträgern der Zeit, den Printmedien verschiedener politischer Lager und Regionen, analysiert. Ziel ist es, das Ausmaß der Krise und ihre Auswirkungen auf Branchen und Medien, Werbestrategien und Geschlechterbilder zu determinieren. Antizyklisch werbende Unternehmen und führende Kreative der Werbebranche werden als zeitgenössische Akteure vorgestellt.
Der gewählte Methoden-Mix aus quantifizierenden und qualifizierten Inhaltsanalysen sowie Elementen von kritisch-diskursiven, linguistischen und visuellen Ansätzen soll sicherstellen, dass relevante Daten systematisch erfasst und interpretiert werden. Letzteres erfolgt im Rahmen aktueller österreichischer und internationaler Forschungen zur Konsumgeschichte und im zeitlichen Kontext, der u.a. mit bisher wenig genutzten Indikatoren wie den konsumpolitischen und legistischen Maßnahmen der damaligen Regierungen skizziert wird. Im Resümee werden die Analyseergebnisse zusammengeführt, die Dimension der Krise vermessen sowie Gewinner und Verlierer eruiert. Dabei geht es auch um Fragen nach den Anfängen der Konsumgesellschaft, um die Haltung der politischen Akteure zum Konsum und seiner Ausbreitung in der Gesellschaft sowie versäumte Chancen und nicht genutzte Potenziale von Angebot und Nachfrage. Es bestätigt sich das Postulat der Soziologin Roberta Sassatelli: „Consumption is a site of politics“.