Abstract (deu)
Die Dissertation widmet sich dem Thema demokratischer Partizipation aus dem spezifischen Blickwinkel widerständiger Politik im Transformationskontext der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Den Ausgangspunkt bildet die Einsicht, dass die Rolle widerständiger Politik und sozialer Bewegungen für Demokratisierung in der akademischen Auseinandersetzung bisher eher vernachlässigt worden ist. Das beunruhigende Potential sozialer Bewegungen sowie ihre Bevorzugung provokanter, teils auch illegaler, Methoden führte dazu, dass manche Forschenden das Konzept widerständiger Politik als Konzept gänzlich für das Studium von Demokratisierung verwarfen. Diese Dissertation hat zum Ziel, die Fachliteratur über soziale Bewegungen und Forschungen zu Demokratisierung füreinander fruchtbar zu machen und somit eine empirische wie theoretische Lücke zu füllen. Grundsätzlich ist der Ansatz dieser Arbeit, dass düstere Einschätzungen betreffend die sogenannte ‚Zivilgesellschaft’ in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien nicht zutreffend sind bzw. einer Richtigstellung bedürfen. Es wird vermutet, dass soziale Bewegungen in der Region Alternativen zu herrschenden ethno-nationalistischen Ansätzen bieten. Die zweite Hypothese besagt, dass AktivistInnen Modelle partizipativer Demokratie üben und hiermit neue definitorische Herangehens- und Lebensweisen von Demokratie eröffnen. Die vorliegende Forschung ist in zeitlicher Hinsicht auf die Periode nach 2000 beschränkt. Zudem ist sie auf den Fall von Studierendenprotesten – als eine Verkörperung widerständiger Politik – fokussiert. Europäisierung, Nachkriegsversöhnung und Nationalstaatsaufbau, sowie geteilt politische Kultur und wirtschaftliche Unsicherheit prägen die untersuchte Region. Die Verwendung qualitativer vergleichender Methoden ist vor diesem Hintergrund das Mittel der Wahl. Die Daten für die Analyse stammen aus Dokumenten, die von den AktivistInnen produziert worden sind sowie von semi-strukturierten Interviews mit zentralen Auskunftspersonen aus zwei Ländern, nämlich Kroatien und Serbien. Die Dissertation erbringt bedeutende Einsichten: erstens, Studierentenproteste in der Region sind Ausnahmephänomen, da sie mit internationaler widerständiger Politik von Studierenden verbunden und von ihnen beeinflusst worden sind. Dennoch kann gezeigt werden, dass Studierendenproteste regionale Eigenheiten aufwiesen. Drittens erweist sich, dass sich – im Gegensatz zu vorläufigen Vermutungen – der Ablauf und Charakter der Studierendenproteste zwischen den Ländern, und hier insbesondere zwischen den Fokusfällen Kroatien und Serbien, unterschieden. In Kroatien konnte Studierende ihren Widerstand erweitern und dadurch in eine umfassendere deliberative ‚Gegenöffentlichkeit’ verwandeln. Demgegenüber verkamen die Studierendenproteste in Serbien zu isolierten Widerstandsenklaven. Diese Divergenz wurde in Rückgriff auf interne Merkmale der sozialen Bewegungen selbst zurückgeführt. Die wichtigsten Gründe dafür sind gemäß den Ergebnissen der Arbeit die divergierende Fähigkeiten der AktivistInnen, ihre Kämpfe diskursiv einzubetten bzw. übergreifende kollektive Identitäten zu entwickeln.