Diese religionssoziologische Arbeit thematisiert visuelle Konstruktionen des durch Säkularisierungs- und Rationalisierungsprozesse geschwächten christlichen Gottes, als ein Phänomen der Moderne. Es geht um Zeigen, Sichtbarmachen und Darstellen jener sinnvollen Muster in denen der christliche Gott heute wahrgenommen wird. Als Gegenstand der Untersuchung gilt somit: Das Sichtbarwerden sozialer und kultureller Konstruktionen eines „verletzten“ Gottes in den heutigen Aufklärungsgesellschaften. Die zu ihm führende Forschungsfrage ist: Wie wird, durch welche symbolische (bildliche und sprachliche) Konzepte die Materialität eines geschwächten, verdächtig abwesenden Transzendenten konstruiert?
Den theoretischen Rahmen bilden religionssoziologische Arbeiten von Dux (1984), Durkheim (2007 (1912)), Luhmann (2002), Kröll (2012); visuellsoziologische/bildtheoretische von Breckner (2010; 2013), Didi-Huberman (1999) und Belting (2004). Außer Breckner, die ihren Ansatz aus der phänomenologischen Philosophie Husserls entwickelt, gehören die beiden anderen Bild-Theoretiker der ikonologischen Aby Warburg-Richtung. Gott, Raum und Zeit als „reine“ Begriffe sind im Sinne von Kant (KdrV, KdU) verstanden. Sie figurieren hier als sozial aufgeladene, latente „Totalhorizonte“ (Blumenberg, 1997) zu denen von den befragten Personen in spezifischen kommunikativen Channeling-Prozessen Bezug genommen wird.
Den Modus der Untersuchung bildet die Schnitt&Loch Motivik der sg. „Concetti spaziali“ des abstrakten italienischen Künstlers Lucio Fontana (1899-1968). Empirisch betrachtet, geht es darum, wie die vier befragten Personen – drei in aktuellen Interviews und Fontana selbst im letzten Interview vor seinem Tod – diese Motivik sehen und erleben. Die Einleitungsnotiz aus einem Fontana-Buch und zwei kurze Aphorismen von Nietzsche (La Gaya scienza, 125 & 108) runden das empirische Material ab.
Als die Auswertungsmethode wurde die konstruktivistische Grounded Theory (Charmaz, 2014) gewählt. Sie ist restlos im interpretativen methodologischen Ansatz verortet, im Unterschied zu der als Standard geltenden und deshalb öfter benutzten Strauss/Corbin Variante (1996). Der radikal emergente Charakter der konstruktivistischen GT wurde als methodologischer Rahmen benutzt, um diese Arbeit als eine GT-Fallstudie durchzuführen, sie kategorial und graphisch zu unterlegen.
Das Zielmilieu sind latente Konstruktionen des verletzen Gottes und ihre Verortungen in den Horizonten des kulturellen und sozialen Sinns; jene Konstrukte die sich nicht im historischen Rhythmus der Zeit abwechseln, sondern konstant bleiben. Deshalb wurde die Entscheidung zugunsten der Ikonologie Warburgscher Prägung getroffen, weil sie einen eigentümlichen Umgang mit der Zeit und der Körperlichkeit pflegt.
Als Ausgangsmilieu werden einige substanziell und funktional unterschiedliche „solide Metaphern“ benutzt (Klammer, 2014), die ihre erkenntnistheoretische Wirkung durch eine Reihe struktureller Analogien entfalten. Dadurch, dass die gesuchten Konstruktionen real, aber nicht sichtbar sind, sollte diese Arbeitsweise als „Rationalisierung des Mangels“ (Blumenberg, 1997) verstanden werden. Die Schnitt/Loch Motivik wird auf die Annahme geprüft, ob sie genug Qualitäten visueller „Symptomatik Gottes“ besitzt, um die Struktur des religiösen Denkens offenzulegen.
This MA paper on religious sociology is focusing on the ways the latter-day societies, united by the common legacy of the Enlightenment, perceive god as a Transcendent Being rendered vulnerable by the secularization and rationalization processes. By revealing, pointing, showing and displaying the imagery of the weakened god, this case study is looking to establish the meaningful patterns of frailty and infirmity in which the Christian god is being perceived today. The subject matter: The social and cultural constructions of a “wounded God” phenomenon in the modern societies. The core question: How and through which conceptual categories is the tangibility of the weakened, vulnerable Christian god being constructed?
The research develops within the theoretical boundaries of religious sociology classic works, such as Dux (1984), Durkheim (2007 (1912)), Luhmann (2002) and Kröll (2012), as well as those marked by the visual sociologists / image theorists like Breckner (2010; 2013), Didi Huberman (1999) and Belting (2004). Apart from Breckner, the two latter authors represent the Aby Warburg iconology school, as well as - up to the certain point – Wittgenstein, on whose image theory (Tractatus Logico-Philosophicus, 2003 (1922)) this paper draws heavily on. God, space and time concepts entertained here are to be understood in Kantian sense (Critique of Pure Reason, 1781; Critique of Judgment, 1790). These three concepts are being looked into as complex symbolic systems situated on the all-out cultural and social horizons (Blumenberg, 1997), to which the interviewed persons refer to in the process of channeling.
The modus operandi is effected by means of the cut & hole patterns used by Lucio Fontana (1899-1968), the renowned abstract artist of the mixed Argentinean-Italian origin, whose oeuvre is well known through the art world under the common term of “Concetti spaziali”. Four persons, a modern day art collector, an art historian and a theology professor, plus Fontana himself in his last interview, describe how they see and experience these motifs. Additionally to the interviews, three short extant texts were included into the empirical material: The introduction from the Fontana-Bio written by Milan art historian De Sanna, as well as two short Nietzsche’s aphorisms from “The Gay Science” (108 & 125).
The research method is that of the constructivist Grounded Theory (Charmaz, 2014). The whole process of coding, writing and conceptualizing has been conducted in keeping with the set of methodological rules listed and described by Charmaz. The constructivist GT differs from the standard rules of application established by Strauss/Corbin (1996) or by Glaser/Strauss in the original version from 1967. Due to its comprehensive grasp of the empirical material, the constructivist GT is being used in this paper to mark the path, through word, image or graph, to the vulnerable-god theory.
The target setting is placed within the vast horizons of social and cultural meanings, which exhibit the general tendency to stay latent, ambiguous and historically varied. In keeping with the methodological rules of the broader interpretative paradigm, this case study uses a series of “solid metaphors” (Klammer, 2014) as a starting point to access the latency of social meaning and relevance.
Through the combined word/image Logos, used here to compensate for the fault-prone nature of the interpretation processes in general, the cut & hole motifs are being checked for their “godly symptomatology”, to see if they are and if so to what extent, a fitting tool in revealing the structure of religious thinking.
Diese religionssoziologische Arbeit thematisiert visuelle Konstruktionen des durch Säkularisierungs- und Rationalisierungsprozesse geschwächten christlichen Gottes, als ein Phänomen der Moderne. Es geht um Zeigen, Sichtbarmachen und Darstellen jener sinnvollen Muster in denen der christliche Gott heute wahrgenommen wird. Als Gegenstand der Untersuchung gilt somit: Das Sichtbarwerden sozialer und kultureller Konstruktionen eines „verletzten“ Gottes in den heutigen Aufklärungsgesellschaften. Die zu ihm führende Forschungsfrage ist: Wie wird, durch welche symbolische (bildliche und sprachliche) Konzepte die Materialität eines geschwächten, verdächtig abwesenden Transzendenten konstruiert?
Den theoretischen Rahmen bilden religionssoziologische Arbeiten von Dux (1984), Durkheim (2007 (1912)), Luhmann (2002), Kröll (2012); visuellsoziologische/bildtheoretische von Breckner (2010; 2013), Didi-Huberman (1999) und Belting (2004). Außer Breckner, die ihren Ansatz aus der phänomenologischen Philosophie Husserls entwickelt, gehören die beiden anderen Bild-Theoretiker der ikonologischen Aby Warburg-Richtung. Gott, Raum und Zeit als „reine“ Begriffe sind im Sinne von Kant (KdrV, KdU) verstanden. Sie figurieren hier als sozial aufgeladene, latente „Totalhorizonte“ (Blumenberg, 1997) zu denen von den befragten Personen in spezifischen kommunikativen Channeling-Prozessen Bezug genommen wird.
Den Modus der Untersuchung bildet die Schnitt&Loch Motivik der sg. „Concetti spaziali“ des abstrakten italienischen Künstlers Lucio Fontana (1899-1968). Empirisch betrachtet, geht es darum, wie die vier befragten Personen – drei in aktuellen Interviews und Fontana selbst im letzten Interview vor seinem Tod – diese Motivik sehen und erleben. Die Einleitungsnotiz aus einem Fontana-Buch und zwei kurze Aphorismen von Nietzsche (La Gaya scienza, 125 & 108) runden das empirische Material ab.
Als die Auswertungsmethode wurde die konstruktivistische Grounded Theory (Charmaz, 2014) gewählt. Sie ist restlos im interpretativen methodologischen Ansatz verortet, im Unterschied zu der als Standard geltenden und deshalb öfter benutzten Strauss/Corbin Variante (1996). Der radikal emergente Charakter der konstruktivistischen GT wurde als methodologischer Rahmen benutzt, um diese Arbeit als eine GT-Fallstudie durchzuführen, sie kategorial und graphisch zu unterlegen.
Das Zielmilieu sind latente Konstruktionen des verletzen Gottes und ihre Verortungen in den Horizonten des kulturellen und sozialen Sinns; jene Konstrukte die sich nicht im historischen Rhythmus der Zeit abwechseln, sondern konstant bleiben. Deshalb wurde die Entscheidung zugunsten der Ikonologie Warburgscher Prägung getroffen, weil sie einen eigentümlichen Umgang mit der Zeit und der Körperlichkeit pflegt.
Als Ausgangsmilieu werden einige substanziell und funktional unterschiedliche „solide Metaphern“ benutzt (Klammer, 2014), die ihre erkenntnistheoretische Wirkung durch eine Reihe struktureller Analogien entfalten. Dadurch, dass die gesuchten Konstruktionen real, aber nicht sichtbar sind, sollte diese Arbeitsweise als „Rationalisierung des Mangels“ (Blumenberg, 1997) verstanden werden. Die Schnitt/Loch Motivik wird auf die Annahme geprüft, ob sie genug Qualitäten visueller „Symptomatik Gottes“ besitzt, um die Struktur des religiösen Denkens offenzulegen.
This MA paper on religious sociology is focusing on the ways the latter-day societies, united by the common legacy of the Enlightenment, perceive god as a Transcendent Being rendered vulnerable by the secularization and rationalization processes. By revealing, pointing, showing and displaying the imagery of the weakened god, this case study is looking to establish the meaningful patterns of frailty and infirmity in which the Christian god is being perceived today. The subject matter: The social and cultural constructions of a “wounded God” phenomenon in the modern societies. The core question: How and through which conceptual categories is the tangibility of the weakened, vulnerable Christian god being constructed?
The research develops within the theoretical boundaries of religious sociology classic works, such as Dux (1984), Durkheim (2007 (1912)), Luhmann (2002) and Kröll (2012), as well as those marked by the visual sociologists / image theorists like Breckner (2010; 2013), Didi Huberman (1999) and Belting (2004). Apart from Breckner, the two latter authors represent the Aby Warburg iconology school, as well as - up to the certain point – Wittgenstein, on whose image theory (Tractatus Logico-Philosophicus, 2003 (1922)) this paper draws heavily on. God, space and time concepts entertained here are to be understood in Kantian sense (Critique of Pure Reason, 1781; Critique of Judgment, 1790). These three concepts are being looked into as complex symbolic systems situated on the all-out cultural and social horizons (Blumenberg, 1997), to which the interviewed persons refer to in the process of channeling.
The modus operandi is effected by means of the cut & hole patterns used by Lucio Fontana (1899-1968), the renowned abstract artist of the mixed Argentinean-Italian origin, whose oeuvre is well known through the art world under the common term of “Concetti spaziali”. Four persons, a modern day art collector, an art historian and a theology professor, plus Fontana himself in his last interview, describe how they see and experience these motifs. Additionally to the interviews, three short extant texts were included into the empirical material: The introduction from the Fontana-Bio written by Milan art historian De Sanna, as well as two short Nietzsche’s aphorisms from “The Gay Science” (108 & 125).
The research method is that of the constructivist Grounded Theory (Charmaz, 2014). The whole process of coding, writing and conceptualizing has been conducted in keeping with the set of methodological rules listed and described by Charmaz. The constructivist GT differs from the standard rules of application established by Strauss/Corbin (1996) or by Glaser/Strauss in the original version from 1967. Due to its comprehensive grasp of the empirical material, the constructivist GT is being used in this paper to mark the path, through word, image or graph, to the vulnerable-god theory.
The target setting is placed within the vast horizons of social and cultural meanings, which exhibit the general tendency to stay latent, ambiguous and historically varied. In keeping with the methodological rules of the broader interpretative paradigm, this case study uses a series of “solid metaphors” (Klammer, 2014) as a starting point to access the latency of social meaning and relevance.
Through the combined word/image Logos, used here to compensate for the fault-prone nature of the interpretation processes in general, the cut & hole motifs are being checked for their “godly symptomatology”, to see if they are and if so to what extent, a fitting tool in revealing the structure of religious thinking.