Abstract (deu)
Das Ziel dieser Arbeit ist die Beschreibung der ästhetischen und diskursiven Strategien der Erschließung, Ordnung und Vermittlung von Wissen in den Dokumentarfilmen von Hartmut Bitomsky. Die Ausgangsthese lautet, dass die vielfältige Bezugnahme auf historische Artefakte in den Arbeiten des Autorenfilmers mit einer besonderen Form von Geschichtsauffassung und -darstellung einhergeht, welche in Folge im Konzept einer archäologischen Pädagogik zusammengefasst wird.
Als Bezugsrahmen für Bitomskys Filmschaffen wird in einem ersten Schritt das historisch weitläufige Feld archäologischer Praxis abgesteckt, welches unterschiedliche Denktraditionen von KulturforscherInnen und GeschichtsphilosophInnen wie insbesondere Michel Foucault, Walter Benjamin und Aby Warburg vereint. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner, das Forschungsinteresse an Materialität von Geschichte, Gedächtnis und Konservierung, sowie die Bevorzugung von Methoden der Montage, Assoziation und Diskursanalyse lässt sich auch in Bitomskys filmischem Werk nachzeichnen. Der darauffolgende Abschnitt organisiert sich rund um fünf zentrale Arbeiten daraus – Deutschlandbilder, Reichsautobahn, Der VW-Komplex, B-52 und Staub.
Es wird dargelegt wie die Form der Filme die darin zusammengetragenen historischen Dokumente wie etwa Fotografien, Filmaufnahmen oder Bücher im Sinne Foucault’scher Monumente behandelt. Im Gegensatz zu jenen Dokumentarfilmen, die damit rein historische Fakten illustrieren, authentifizieren oder Wahrheit von Trugbild unterscheiden wollen, nehmen die untersuchten Arbeiten die Kulturartefakte als Objekte ernst, die von ihrer Medialität und den sie umgebenden Diskursen und Praktiken nicht zu trennen sind. Es wird die große Bandbreite an materialistischen Kategorien der Filme herausgearbeitet, innerhalb derer Machtzusammenhänge gedacht werden – von der Marx’schen Dialektik der Produktionsverhältnisse bis zu den spätkapitalistischen Verzweigungen in Diskurs, Wissen und Technologie. Bitomskys Filme untersuchen Artefakte immer in ihrem – oft musealen – Deutungszusammenhang und bilden dabei selbst museale Inszenierungs- und Wissensformen aus.
Der letzte Abschnitt argumentiert ausgehend von phänomenologischen Theorien wie Bitomskys Filmform durch Verfremdungseffekte und Fremderfahrung Lernprozesse anregen kann, genauso wie der ästhetische Reiz der darin verbreiteten Gestaltung mit Dialektik und Allegorie es vermag Lust am Lernen zu generieren. Das Bild der aus den Filmen ableitbaren Pädagogik wird abschließend durch Parallelen zu Benjamins physiognomischem Lesen im materiellen Zeugnis und seiner historisch-politischen Montagetechnik vervollständigt.