Abstract (deu)
Die blutsaugende Wanze Rhodnius prolixus benutzt die Wärmestrahlung (IR) von warmblütigen Tieren um ihre Nahrungsquelle zu finden. Die Wahrnehmung von IR wurde im Tierreich schon öfter beschrieben (zB. bei Klapperschlangen, Gemeinen Vampir-Fledermäusen, Zecken und bei Insekten), jedoch war eine generelle Beschreibung ihrer Funktionsweise eher schwierig, da sie eine sehr hohe Empfindlichkeit auf Temperaturänderung (T) aufweisen. Doch was unterscheidet IR Rezeptoren von Thermorezeptoren, wenn sie auf beide Reize reagieren? Gibt es Rezeptoren, die tatsächlich zwischen diesen beiden Reizen unterscheiden können?
Tatsächlich besitzen blutsaugende Wanzen die Fähigkeit, die Wärmestrahlung eines Körpers von der warmen Luft, die ihn umgibt, zu unterscheiden.
Welche neuronalen Prozesse dieser Fähigkeit zugrunde liegen, ist noch unbekannt. Jede Information, die die Wanze von der Umwelt empfängt, ist in der Frequenz der Aktionspotentiale der Sinneszelle enthalten. Um die Funktion eines IR Rezeptors zu verstehen, muss die Aktivität dieser Sinneszelle elektrophysiologisch untersucht werden.
Die Ergebnisse meiner Forschung wurden in zwei Publikationen veröffentlicht.
In meiner ersten Arbeit behandle ich die Identifikation von IR Rezeptoren und deren Antwortverhalten in der Impulsfrequenz bezüglich IR und T Reize (J. Neurophysiol. 111(6): 1341-1349). Es war mir möglich, zwei Arten von wärmeempfindlichen Rezeptorzellen zu lokalisieren, die sich in morphologisch unterschiedlichen Typen von Sinnesorganen auf der Antenne befinden. Die sogenannten „peg-in-pit sensilla“ (PS) und die „tapered hairs“ (TH). Beide Typen reagieren auf schnelle Temperaturänderungen der Luft mit einer stärkeren Entladungsrate als auf rapide Änderungen von IR Strahlung. Daraus ergibt sich für beide Rezeptorzellen ein besseres Auflösungsvermögen für Temperaturreize, als für Strahlungsreize. Da beide Reize einen Einfluss auf die Impulsfrequenz haben, ist es unmöglich für eine einzelne Rezeptorzelle zwischen IR Strahlung und Temperaturänderung der Umgebungsluft zu unterscheiden. Aufgrund dieser Ergebnisse war anzunehmen, dass zusätzliche Informationen, wie die Bewegung der Luft als mechanischer Reiz, in die Verarbeitung miteinfließen und eine Unterscheidung ermöglichen.
In der zweiten Arbeit behandle ich die Verarbeitungsmechanismen, die der Unterscheidung von IR und T Reizen zugrunde liegen (J. Neurophysiol. 112(7): 1606-1615).
Für diese Untersuchungen wurden sinusförmige Reize präsentiert, da sie die graduelle Veränderungen simulieren, die eine Wanze erfährt, wenn sie sich einer Wärmequelle nähert oder sich von ihr entfernt. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede im Antwortverhalten der Wärmezellen der „peg-in-pit sensilla“ (PSw) und jener der „tapered hairs“ (THw). Beide Typen folgen mit ihrer Impulsfrequenz dem gegebenen Reizverlauf, jedoch liegt die Impulsrate der THw-Zellen bei T Änderungen deutlich über derjenigen der PSw-Zellen. Umgekehrt verhält es sich bei sinusförmigen IR Reizen: hier liegt die Impulsrate der PSw-Zellen über der der THw-Zellen.
Durch Vergleich der Impulsraten der beiden Wärmezellen- entsprechend dem Prinzip „Kodierung durch Kombination“ kann das ZNS Infrarotreize von Temperaturreizen unterscheiden.
Die Ergebnisse meiner Arbeit sind nicht nur für die blutsaugende Wanzen von Bedeutung, sondern für die Erforschung von IR Wahrnehmung im Allgemeinen. Elektrophysiologische Ableitungen von einzelnen Sinneszellen liefern ausreichend Informationen über die Qualität der Rezeptoren, jedoch liegt die wahre Herausforderung des Zentralnervensystems in der Verarbeitung des sich ständig ändernden Musters der neuronalen Aktivität unterschiedlichster Sinneszellen.