Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rolle der neuartigen europäischen SpitzenkandidatInnen für die Kommissionspräsidentschaft bei der Europawahl 2014. Theoretische Grundlage bildet eine Synthese aus Europäisierungs- und Demokratiedefizitliteratur. Argumentiert wird, dass es sich bei der Einführung der SpitzenkandidatInnen um einen Versuch der supranationalen Institutionen handelte, ihre Stellung im europäischen Machtgefüge zu verbessern („Supranationalisierung“). Die Ankündigung der politischen Eliten, dass die neue Praxis die demokratische Qualität des politischen Systems der EU nachhaltig verbessern würde, wird aufgrund der Forschungsergebnisse kritisch betrachtet. Da die Europawahlen de facto 28 gleichzeitig stattfindende Nationalwahlen sind, waren die SpitzenkandidatInnen auf die nationalen Parteien angewiesen. Aus diesem Grund wurden die Wahlkämpfe von 20 westeuropäischen EVP- bzw. SPE-Mitgliedsparteien anhand ihrer Facebook-Auftritte empirisch untersucht. Nach einer quantitativen Inhaltsanalyse wurden lineare und logistische Regressionsmodelle berechnet, um 14 Hypothesen zu testen. Im Fokus standen sowohl die Faktoren, die zur Einbindung von Jean-Claude Juncker und Martin Schulz in die nationalen Wahlkampagnen führten, als auch die Konsequenzen dieser Einbindung.
Es zeigte sich, dass vor allem Parteien, die der europäischen Integration positiv gegenüber stehen, dazu neigten, die neuen Spitzenkandidaten in ihre Wahlkämpfe aufzunehmen. Ein wichtiger Verstärker der Einbindung dürften TV-Konfrontationen zwischen Juncker und Schulz gewesen sein, die auf nationaler Ebene ausgerichtet wurden. Ein „Duell“ zwischen den beiden aussichtsreichsten Kandidaten scheint es keines gegeben zu haben. Zu einer „sinnvollen“ europäischen politischen Debatte haben Schulz und Juncker nicht beigetragen, da sich ihre Auftritte (genau wie jene nationaler Personen) dethematisierend auswirkten und auch Parteien, welche die Spitzenkandidaten nicht einbanden, mit europäischen issues arbeiteten.