Abstract (deu)
Depression ist eine der schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen. Bereits im frühen Lebensalter stellt Stress einen spezifischen Risikofaktor dar, welcher die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Depression zu erkranken. Es wurde bereits anhand eines Mausmodels gezeigt, dass pränataler Infektionsstress, welcher durch Immunstimulation der trächtigen Mausmutter (maternale Immunaktivierung, MIA) ausgelöst wird, mit depressionsähnlichem Verhalten und Veränderung der adulten hippokampalen Neurogenese der Nachkommen, im Erwachsenenalter, in Zusammenhang steht. Viele Psychopathologien rufen chronische Verhaltensveränderungen hervor, welche durch spezifische, epigenetische Modifikation der Genexpression kontrolliert werden. Diese epigenetischen Modifikationen werden oft in Zusammenhang mit frühen Lebensereignissen, wie beispielsweise mütterliches Fürsorgeverhalten (MF) bei Nagern und Menschen, gebracht. Ob genetisch bedingte Unterschiede in der MF Einfluss auf die ungünstigen frühen Lebensereignisse haben, welche das Verhalten der Nachkommen im Erwachsenenalter beeinflussen, wurde bisher noch nicht untersucht.
In der vorliegenden Studie wurden zwei ingezüchtete Mäusestämme, C57BL/6N (C57) und C3H/HeNCrl (C3H) verwendet, bei welchen stammspezifisch differentielles MF beschrieben wird. Anhand dieser beiden Stämme wurde experimentell untersucht, ob sich genetisch determinierte Unterschiede im MF feststellen lassen, welche das Ergebnis von MIA (depressionsähnliches Verhalten der erwachsenen Nachkommen) beeinflussen könnten.
MIA wurde durch systemische Applikation von Polyinosinic:Polycytidylic Acid (Poly (I:C); 20mg/kg) an trächtigen C57 und C3H Weibchen am embryonalen Tag 12.5 (E12.5) herbeigeführt. Das MF der Mütter gegenüber ihren Nachkommen wurde an den postnatalen Tagen 1 bis 6 aufgezeichnet und nach einem standardisierten Protokoll beurteilt. Depressionsartiges Verhalten der erwachsenen Nachkommen wurde anhand von anerkannten Verhaltenstests, wie dem Sucrose Preference Test (SPT) und dem Forced Swim Test (FST), evaluiert. Der mRNA-Gehalt der Glucocorticoid und Mineralocorticoid Rezeptoren (GR und MR), welche bekannterweise durch MF reguliert werden können und auch an der Pathophysiologie von Depression beteiligt sind, wurden als mögliches molekulares Korrelat im hippokampalen Gewebe adulter MIA- und Kontroll-Nachkommen untersucht.
Es wurde in der vorliegenden Studie aufgezeigt, dass MIA das Nachkommen-orientierte Verhalten der MF signifikant verringert. Im Speziellen wird die Häufigkeit, mit welcher Mütter die Nachkommen durch das „Schleck-und-Putz“ Verhalten pflegen, signifikant reduziert. Dieses Versorgungsverhalten in der Pflege der Jungen wird als primäre Form von physischem Kontakt zwischen Mutter und Neugeborenen angesehen. Die Intensität dieses Kontaktes kann das Verhalten und die assoziierten autonomen und endokrinen Faktoren der Nachkommen im späteren Leben beeinflussen. Das gesteigerte depressionsähnliche Verhalten, welches durch MIA in adulten C57 Nachkommen gezeigt wurde, konnte bei C3H Mäusen nicht beobachtet werden. Als mögliches molekulares Korrelat dieser unterschiedlichen Empfänglichkeit für die Effekte der MIA auf depressionsähnliches Verhalten, könnte die MIA-induzierte Veränderung der mRNA Expression von GR oder MR im Hippokampus der adulten Nachkommen eine Rolle spielen.
Diese Beobachtungen zeigen, dass die genetische Variabilität zwischen C57 und C3H Mäusen den Effekt von MIA auf das depressionsähnliche Verhalten im späteren Leben beeinflusst, ohne stammspezifisch die unterdrückenden Effekte von MIA auf MF zu modulieren. Angesichts der durch MIA- und stammbeeinflussten hippokampalen Expression von MR und GR in adulten Nachkommen, gibt es mindestens zwei mögliche Interpretationen dieser Ergebnisse I.) das Verhalten im Erwachsenenalter, welches als Konsequenz von MIA gilt, wird nicht von MF beeinflusst; II.) die genetisch festgelegte, stammabhängig unterschiedliche Empfänglichkeit für die Genexpression-regulierenden Effekte von MIA in Bezug auf GR und MR im Hippokampus, dient als molekularer „Puffer-Mechanismus“, um die nachteiligen Folgen der von MIA induzierten Störung der MF in C3H Mäusen zu dämpfen.
Die vorliegende Studie stellt die Grundlage für zukünftige Experimente, wie zB. Fremdenpflege (Cross-Fostering) dar, mit deren Hilfe man den Einfluss der MIA-induzierten Störung der MF auf systemischer und molekularer Ebene weiter untersuchen könnte, um die genetische Grundlage, für die Empfänglichkeit bzw. Widerstandsfähigkeit für MIA-assoziierte Modulation im depressionsähnlichen Verhalten im späteren Leben, aufzuklären.