Abstract (deu)
Im Rahmen dieser Diplomarbeit erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Doppelwegstruktur, die Artusepen Hartmanns von Aue betreffend. Seit dem Erec-Aufsatz von Hugo Kuhn aus dem Jahre 1948 wird dieses Doppelwegschema von der mediävistischen Forschung kontinuierlich modifiziert und abgeändert, im Grundsatz jedoch übernommen und als Königsweg der Artusromananalyse par excellence angesehen. Kuhn aber entwickelt dieses Modell ausschließlich für den „Erec“, ohne den „Iwein“ oder auch andere Artusepen jemals zu erwähnen. In diesem Kontext stellt sich nun die Frage, inwiefern es legitimierbar ist, den „Erec“ auf dieses Strukturierungsprinzip zu beschränken und selbiges Schema auf idente Weise zusätzlich auch auf den „Iwein“ zu übertragen. Um diese oder ähnliche Fragen klären zu können, werden die beiden Epen Hartmanns einer Detailanalyse unterzogen und hinsichtlich etwaiger Auffälligkeiten, Parallelen aber auch Differenzen untersucht. In Anbetracht der getätigten Analysen wird ersichtlich, dass dieses von Kuhn für den „Erec“ entworfene Schema oftmals banal und oberflächlich erscheint und tiefergreifende Deutungen und Analysen dadurch keinerlei Berücksichtigung finden. Die Darstellungen Kuhns jedoch sind nicht nur ungenau beziehungsweise in hohem Maße allgemein gehalten, sondern mancherorts auch intransparent und wenig plausibel. Den Aufsatz von Kuhn, das damit einhergehende Doppelwegmodell sowie die in dem Zusammenhang immer wieder postulierte Allgemeingültigkeit in Bezug auf dieses Strukturschema gilt es somit mit Vorsicht zu genießen und kritisch zu hinterfragen. Es wird also ersichtlich, dass dieses Schema bereits beim „Prototypen“ „Erec“ oftmalig an gewisse Grenzen stößt und mit diversen Unklarheiten in Verbindung gebracht werden muss.
Inwieweit ist es trotz derartiger Ungereimtheiten nun möglich, dieses bereits beim „Prototypen“ fehlerhaft erscheinende Modell zusätzlich auch auf den „Iwein“ zu übertragen? Unter der Berücksichtigung weiterer Analysen erscheint es unmöglich und gar fahrlässig, selbiges Strukturschema auch mit dem „Iwein“ in Verbindung zu bringen. Die Abweichungen und Differenzen zwischen diesen beiden Epen Hartmanns sind, sowohl in struktureller wie auch in thematischer Hinsicht, bei näherer Betrachtung derartig groß, dass ein solches Vorgehen in keiner Weise legitimiert werden könnte. Das Doppelwegschema blockiert weiterreichende Interpretationsansätze und einen über den Tellerrand hinausreichenden Blick. Demzufolge erscheint es unumgänglich, die über ein halbes Jahrhundert hinweg kaum differenzierte Meinung der mediävistischen Forschung in Bezug auf die Doppelwegstruktur kritisch zu hinterfragen und zusätzliche Deutungsmöglichkeiten in die Analyse miteinfließen zu lassen. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, den Facettenreichtum dieser beiden Epen zu erkennen und die damit einhergehende Vielschichtigkeit in weiterer Folge adäquat berücksichtigen zu können.