Abstract (deu)
Sulfatreduzierende Mikroorganismen (SRM) findet man in nahezu allen anoxischen Lebensräumen. Dort verwenden sie Sulfat als Elektronenakzeptor beim Abbau von organischen Verbindungen und tragen damit entscheidend zu den biochemischen Kreisläufen von Schwefel und Kohlenstoff bei. In dieser Dissertation beschäftigte ich mich hauptsächlich mit SRM und verwendete diese funktionelle Gruppe als Modellorganismen, um mehr über die generelle Ökophysiologie und Biogeographie von Mikroorganismen in marinen Sedimenten herauszufinden.
Der letzte und energiekonservierende Schritt während der Reduktion von Sulfat durch SRM ist die Reduktion von Sulfit zu Sulfid. Katalysiert wird er durch ein Enzym namens Dissimilatorische (Bi-) Sulfitreduktase (DsrAB), einem Protein das in manchen schwefeloxidierenden Bakterien auch die umgekehrte Reaktion durchführen kann. DsrAB Gene werden häufig als funktionelle Marker für SRM und schwefeloxidierende Bakterien verwendet, was zur Anhäufung einer umfangreichen Menge an größtenteils uncharakterisierten dsrAB Sequenzen in öffentlichen Datenbanken geführt hat. Um eine Grundlage für großangelegte, dsrAB-basierte Ökologiestudien mit Hilfe moderner Sequenzier-methoden zu schaffen, erstellten wir eine umfassende, manuell kuratierte dsrAB/DsrAB Referenzdatenbank. Diese Datenbank verwendeten wir zur Erstellung einer stabilen DsrAB Konsensusphylogenie und zur Evaluierung der Abdeckung aller publizierten, dsrAB-spezifischen Primer. Außerdem konnten wir mit Hilfe eines neuentwickelten, mehrstufigen Klassifikationsystems erstmals alle dsrAB-Umweltsequenzen systematisch mehreren taxonomischen und/oder phylogenetischen Gruppen zuordnen. Mindestens 13 stabile phylogenetische Linien im Rang einer Familie beinhalteten keine dsrAB Sequenzen von bekannten, kultivierten Organismen, sondern ausschließlich Umweltsequenzen, was darauf hindeutet, dass bedeutende SRM-Taxa bislang noch nicht identifiziert wurden. Darüber hinaus wurden alle dsrAB-Sequenzen in weitgefasste Kategorien basierend auf ihrer ökologischen Herkunft oder Lebensweise eingeteilt und die Verbreitung der größeren phylogenetischen DsrAB-Linien in der Umwelt untersucht. Die meisten dsrAB Sequenzen stammen aus marinen Lebensräumen (31%), gefolgt von Sequenzen aus Süßwasser (24%), Industrie (16%) und Boden (11%). In den meisten größeren phylogenetischen Linien finden sich Vertreter aus vielen unterschiedlichen Habitaten, es gibt allerdings auch einige Ausnahmen, die auf eine Bevorzugung bestimmter Lebesräume hindeuten. Vor allem Sequenzen der DsrAB-Umweltlinien 2, 3 und 4 sind fast ausschließlich marinen Ursprungs, während Sequenzen der deltaproteobakteriellen Familien Desulfohalobiaceae und Desulfonatronumaceae in erster Linie aus Lebensräumen mit erhöhter Salzkonzentration bzw. erhöhtem pH-Wert stammen. Weiterführende, evolutionäre Analysen der dsrAB-Gene brachten unter anderem Hinweise auf möglichen lateralen Gentransfer von dsrAB in Phyla, in denen diese Gene erst kürzlich entdeckt wurden, nämlich in Vertretern der Actinobacteria, Aigarchaeota und Caldiserica.
Wir untersuchten den Abbau von organischem Material in anoxischen, arktischen Meeressedimenten, wo SRM eine entscheidende Rolle spielen, indem sie den terminalen Mineralisierungsschritt beim Abbau von Kohlenstoffverbindungen katalysieren. In Inkubations-experimenten simulierten wir den Eintrag an komplexem organischen Material durch cyanobakterielle Biomasse oder setzten mit Azetat ein typisches Abbauzwischenprodukt zu. Anschließend beobachteten wir den Einfluss dieser Substratzugabe auf die Zusammensetzung der mikrobielle Gemeinschaft durch Pyrosequenzierung von 16S rRNA Gen- und cDNA Amplikons. Die cyanobakterielle Biomasse wurde haupsächlich zu Azetat, Format und Propionat fermentiert und der Verbrauch von Azetat, Propionat, Butyrat und Valerat wurde selektiv von SRM beeinflusst. Die Dynamik bakterieller 16S rRNA Phylotypen deutete darauf hin, dass die cyanobakterielle Biomasse primär von als Psychrilyobacter, Colwellia, Marinifilum und Psychromonas klassifizierte Phylotypen abgebaut wurden, während Azetat hauptsächlich von als Desulfobacteraceae, Desulfobulbaceae und Arcobacter klassifizierten Phylotypen genutzt wurde. Außerdem konnten wir einige mutmaßliche sulfatreduzierende Phylotypen unter den deltaproteobakteriellen Familien Desulfobacteraceae und Desulfobulbaceae identifizieren. Die Identifikation dieser Phylotypen liefert die Grundlage, um eine direkte Verbindung zwischen Identität und Funktion von im Kohlenstoffabbau involvierten Bakterien in diesen Sedimenten herzustellen. Nun können spezifischen Sonden designed werden, mit deren Hilfe der Einbau des Substrats durch Kombination von Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung mit Raman-Spektroskopie oder NanoSIMS gezeigt werden kann.
Kalte Meeressedimente beherbergen häufig zusätzlich zur vegetativen mikrobiellen Gemeinschaft auch Sporen thermophiler Bakterien. Wir verwendeten diese scheinbar deplatzierten Organismen, die sich in einem Ruhestadium befinden und nicht der Selektion durch Umwelteinflüsse unterliegen, um selektiv den Beitrag der passiven Verbreitung auf die Biogeographie von Mikroorganismen zu erforschen. Eine globalen Biogeographiestudie von thermophilen Endosporen in 81 verschiedenen marinen Sedimenten zeigte, dass diese weit, aber nicht ubiquitär verbreitet sind und identifizerte insgesamt 146 16S rRNA Phylotypen auf Speziesebene. Die ungleichmäßigen räumlichen Verbreitungsmuster dieser Phylotypen lieferten erstmals Beweise für eine eingeschränkte Verbreitung bakterieller Endosporen, welche auf Grund ihrer Eigenschaften – hohe Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit – wesentlich weniger in ihrer Verbreitung eingeschränkt sein dürften als vegetative Zellen. Wir konnten mögliche globale Verbreitungswege von marinen Mikroorganismen aufzeigen, indem wir mit Hilfe von Netzwerkanalysen eine Reihe häufig gleichzeitig auftretender und über große Distanzen verbreiteter Phylotypen identifizieren konnten. Regionen, die relative isoliert von den globalen Meereströmung sind, zeichneten sich durch einen geringeren Artenreichtum an thermophilen Endosporen aus. Das deutet darauf hin, dass die Auswirkung von passiver Verbreitung auf die mikrobielle Biogeographie in marinen Sedimenten von der Konnektivität der lokalen Wassermassen zur globalen Meereszirkulation gesteuert wird. Eine eingehendere Untersuchung von zwei arktischen Regionen, der Inselgruppen Svalbard und der Baffin Bay, zeigte den Einfluss der lokale Hydrographie auf die Verbreitung thermophiler Endosporen.
Die biogeographischen Verbreitungsmuster von vegetativen Zellen, im Gegensatz zu jenen von Endosporen, kommen größtenteils durch Umweltfaktoren, wie beispielsweise Temperatur, zustande. Um die temperaturabhängige Verbreitung und Diversität von Mikroorganismen in marinen Ökosystemen zu verstehen, untersuchten wir die Reaktion von SRM-Gemeinschaften in polaren, gemäßigten und tropischen Meeressedimenten auf Temperaturänderung und konnten zeigen, dass die optimale Temperatur für Sulfatreduktion durch die mittlere Umgebungstemperatur reguliert wurde. Außerdem korrelierte die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft der mutmaßlichen Sulfatreduzierer mit den Jahresmitteltemperaturen, nicht aber mit der Konzentration des organischen Kohlenstoffs in den Sedimenten oder dem C:N Verhältnis des organischen Materials. Das deutet darauf hin, dass die vorherrschende Umgebungstemperatur die Zusammensetzung der sulfatreduzierenden mikrobiellen Gemeinschaft maßgeblich bestimmt, in dem sie auf jene SRM selektiert, die am besten an die herrschenden Temperaturen angepasst sind und impliziert, dass Temperatur ein wesentlicher, bestimmender Faktor für die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften in marinen Sedimenten ist.
Die in dieser Dissertation präsentierte Forschung beinhaltet eine umfassende Analyse der Umweltdiversität und Phylogenie der SRM und anderen dsrAB-enthaltenden Organismen, beginnt die Identität von Mitgliedern der mikrobiellen Gemeinschaft in arktischen Meeressedimenten mit ihrer Rolle während des Abbaus organischer Verbindungen zu verknüpfen und bietet neue Perspektiven auf den Einfluss von passiver Verbreitung und Temperatur auf die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften im Meeresboden.