Abstract (deu)
Ausgangslage: Das Cochlea-Implantat wird mittlerweile international als Methode der Wahl zur Behandlung von Kindern mit einer Gehörlosigkeit eingesetzt. Die daran anschließende Rehabilitation ist dabei ausschlaggebend für einen Therapieerfolg. In Österreich erfolgt die Rehabilitation bundeslandspezifisch ausschließlich ambulant. Damit kommt der Familie, als primärem Austragungsort, eine zentrale Rolle innerhalb der Rehabilitation zu.
Fragestellung/Ziel: Unter der Fragestellung: „Wie gestalten Familien ihren Alltag mit einem Cochlea-implantierten Kind in der Phase der Rehabilitation?“ bestand das Ziel in der Darstellung der familiären Integration der Rehabilitation eines implantierten Kindes in ihren Alltag.
Methodik: Es wurde sieben leitfadengestützte qualitative Familieninterviews, in Anlehnung an das Family Management Style Framework (FMSF) (Knafl, Deatrick, & Havill, 2012), mit Familien mit einem Cochlea-implantierten Kind in unterschiedlichen Bundesländern in Österreich durchgeführt. Die jeweilige Familienzugehörigkeit wurde dabei in Anlehnung an die Ecomap durch die Schlüsselperson bestimmt. Insgesamt wurden 26 Personen interviewt. Die Auswertung der Daten erfolgte in Anlehnung an die Analysetechnik des ‚offenen Kodierens‘ der Grounded Theorie (Strauss & Corbin, 2006).
Ergebnisse: Die Analyse des Datenmaterials zeigt einen phasenweisen Verlauf der Alltagsgestaltung bei einem Cochlea-implantierten Kind auf. Familien durchlaufen drei Phasen, in denen Sie den Alltag der Familie immer vor dem Hintergrund eines variierenden Normalitätsverständnisses gestalten.
Die erste Phase, die ‚konventionelle familiäre Normalisierung‘, kennzeichnet eine angestrebte Adaptation des familiären Alltags an das gesellschaftlich vorherrschende Verständnis von Normalität, in dessen Sichtweise Hörschädigungen als Abweichung angesehen werden. Dementsprechend zielen alltägliche Handlungsstrategien auf das Erreichen dieser Norm ab und dominieren dabei die familiäre Alltagsgestaltung.
Zunehmend generieren Familien eine eigene Sichtweise von Normalität und sehen in der zweiten Phase, der ‚unkonventionellen familiäre Normalisierung‘, die Situation des Kindes nicht mehr als Abweichung von der Norm an. Im Zuge dessen kommt es unter anderem zu Varietäten von Familienzugehörigkeiten und Wertvorstellungen. Im Unterschied zur ersten Phase adaptiert hier die Familie die Umwelt an ihre Situation und erzeugt ein neues Normalitätsverständnis.
In der dritten Phase, der ‚gesellschaftlichen Normalisierung‘, sind Familienmitglieder bestrebt das neu geschaffene Verständnis von Normalität in die Gesellschaft zu tragen und das vorherrschende Bild zu modifizieren. Unter der Perspektive „es ist wie eine Brille zu tragen“ wird das Phänomen in den gesellschaftlichen Diskurs gebracht.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen: Mit der Schaffung eines neuen Normalitätsverständnisses, nimmt die Therapiefokussierung im familiären Alltag ab. Abhängig von den jeweiligen Versorgungsstrukturen finden sich innerhalb dieser Phasen ebenfalls die in dem FMSF beschriebenen unterschiedlichen familiären Gestaltungsstile bei Kindern mit einer chronischen Erkrankung. Je nach Unterstützung von Seiten der Versorgungsstrukturen durchlaufen Familien die erste Phase schneller oder langsamer. Mit dem Übergang in die zweite Phase zeigt sich zudem ein Wechsel in den positiven Familiengestaltungsstil den ‚Thriving Family Management Style‘ des FMSF.
Schlussfolgernd bedarf es einer frühzeitigen familienorientierten Unterstützung der Familien. Konzepte wie beispielsweise die ‚Family Health Nurse‘ könnten im Rahmen einer kontinuierlichen Betreuung, Familien in ihrer Normalisierung unterstützen und zu einem gelungenem Gestaltungsstil beitragen.