Abstract (deu)
Einleitung: Negative Emotionen spielen eine zentrale Rolle in der Entstehung, Aufrechterhaltung und beim Rückfall der Tabakabhängigkeit. Besonders in Populationen von Menschen mit psychischen Störungsbildern, deren zentrales Merkmal Probleme mit Emotionen und ihrer Regulation sind, ist der Anteil von RaucherInnen ungefähr doppelt so hoch wie in gesunden Stichproben. Es stellt sich die Frage, ob der Zusammenhang zwischen negativen Emotionen und Tabakabhängigkeit durch den Einsatz charakteristischer, maladaptiver Emotionsregulationsstrategien zustande kommt. Die vorliegende Studie vergleicht sowohl die drei Stichproben der RaucherInnen (n = 223), ehemaligen RaucherInnen (n = 220) und NichtraucherInnen (n = 211), aber auch innerhalb der Stichprobe der aktuellen RaucherInnen die drei verschiedenen Schweregrade der Tabakabhängigkeit „keine bis geringe“ (n = 73), „mittlere“ (n = 89) und „schwere bis sehr schwere“ (n = 61) hinsichtlich der Regulation von Emotionen.
Methode: Mittels einer deutschsprachigen Online-Querschnitts-Studie wurden 654 TeilnehmerInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz rekrutiert und bearbeiteten Fragen zu soziodemographischen Merkmalen, zur Anwendung von Strategien der Emotionsregulation (Emotionsregulations-Inventar ERI; Emotion Regulation Questionnaire ERQ), zu emotionsbezogenen Variablen (Brief Symptom Inventory-18 BSI-18; Perseverative Thinking Questionnaire PTQ; Positivity Scale P-S; State-Trait-Ärgerausdrucks-Inventar STAXI) und raucherInnenspezifischen Verfahren (Fagerström-Test für Nikotinabhängigkeit FTNA; Modified Reasons for Smoking Scale MRSS; Intolerance for Smoking Abstinence Discomfort Questionnaire IDQ-S; Alcohol Use Disorder Identification Test AUDIT-C) enthielt.
Ergebnisse: Im Vergleich der drei Stichproben mittels ANOVA und ANCOVA wurde deutlich, dass Depressivität (BSI-18), zu Ungunsten der RaucherInnen, einen starken Einfluss auf die Regulation positiver Emotionen ausübt. Wenn Depressivität allerdings konstant gehalten wurde, zeigten sich keine Stichprobenunterschiede bei der Regulation positiver Emotionen. Bei der Regulation negativer Emotionen wiesen die Skalen Ablenkung und Umbewertung (ERI) signifikante Unterschiede auf, wobei ehemalige RaucherInnen sich am häufigsten ablenkten und RaucherInnen vermehrt die Strategie des Umbewertens benützten. Auch die Skalen Unproduktivität, Mentale Kapazität, Gesamtwert des PTQ und die Skala des AUDIT-C blieben signifikant, wobei die höchsten Ausprägungen an Rumination und problematischem Alkoholkonsum bei den RaucherInnen zu berichten waren. Im Vergleich der Schweregrade der Tabakabhängigkeit zeigten sich signifikante Unterschiede in der empathischen Unterdrückung von positiven Emotionen, wobei mittelmäßig und schwer Tabakabhängige seltener positive Emotionen unterdrücken, als dies gering Tabakabhängige tun. Personen mit einer schweren Tabakabhängigkeit weisen sowohl bezüglich der Gründe um zu rauchen in den Skalen Abhängigkeit, Spannungsabbau/Entspannung, Stimulation, Handhabung und Gewohnheit/Automatismus als auch in den Bereichen Entzugsintoleranz und Mangel an kognitiver Bewältigung des IDQ-S die höchsten Ausprägungen auf. Weitere signifikante Ergebnisse betreffen den problematischen Alkoholkonsum und die Einschränkung der mentalen Kapazität durch Rumination, in denen nicht bis gering tabakabhängige Personen signifikant höhere Ausprägungen aufweisen als alle anderen Gruppen.
Diskussion: Die vorliegende Studie geht hinsichtlich des Zusammenhangs von Tabakabhängigkeit und der Regulation von positiven Emotionen, auch hinsichtlich des Einflusses von Depressivität, mit älteren und aktuellen Forschungsergebnissen konform. Auch die Hypothesen zu den signifikanten Stichprobenunterschieden in Bezug auf Rumination und problematischen Alkoholkonsum werden von der Literatur gestützt. Die signifikanten Stichprobenunterschiede zur Regulation negativer Emotionen durch die Strategien der Ablenkung und Umbewertung und die Unterschiede in der Anwendung empathischer Unterdrückung zwischen den Schweregraden bedürfen weiterer Untersuchungen.