Abstract (deu)
“Ambient Assisted Living” (AAL) ist ein Überbegriff für eine Reihe technologischer Innovationen die unterstützend in Pflege- und Alterungsprozesse eingreifen sollen. Hier zeitigen vor allem neue Fortschritte in der Entwicklung von ICT, embedded computing, und dem internet of things (Internet-basierte informations-Architekturen die den Austausch von Services und Gütern erleichtern und vorantreiben) großes Potential Pflegelandschaften grundlegend zu verändern. Dabei ist der Begriff mit der Hoffnung verknüpft, Herausforderungen zu überwinden, die im Zusammenhang weitgehender sozio- demographischer Umwälzungen gestellt werden. Die Maxime, Ältere möglichst lange das Altern an dem von ihnen gewünschten Ort zu gewähren wird dann zum individualisierten Ausdruck des Bedarfs der Entlastung professioneller und institutioneller Pflege- Infrastrukturen.
Dieses Versprechen, das im weiteren gesellschaftlichen Diskurs zur „Pflegekrise“ zu verorten ist, ist stark mit der Aussicht auf eine zunehmend düstere Zukunft verknüpft, die den Teufel der „Überalterung“, des „Kollaps der Pflegesysteme“ oder des „Pflegekräftemangels“ an die Wand malt. AAL wird in dem Zusammenhang als vielversprechende Lösung verhandelt, als „technologischer Fix“, und in eine nahe Zukunft verortet, an deren Realisierung es aktiv zu arbeiten gilt. Zukünfte nehmen damit einen spezifischen Part in der Rahmung von AAL ein und leiten dabei auch die Entwicklung, regen Investitionen an und dienen als Vehikel für koordinierte Zusammenarbeit. Trotz dieser offensichtlich zentralen Rolle, beginnen wir erst die Rolle und transformative Macht der Zukunft im Hinblick auf Ambient Assisted Living zu verstehen.
Zwei Werbevideos - von LeadingAge CAST 2005 sowie 2012 veröffentlicht - stehen im Mittelpunkt dieser Studie und dienen als konkreter Fall um die Rolle der „Zukunft“ zu verstehen. Diese Studie widmet sich den visuellen und rhetorischen Repertoires, die genutzt werden um CASTs Zukunftsvision zu etablieren. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit AAL als Produkt von Prozessen der Ko-Produktion sozialer und technologischer Ordnungen verstanden werden muss: Wie macht sich CAST Interpretationen und Rahmungen sozio- technischer Welten zu nutze, um ein spezifisches Verständnis von „der Zukunft“ (und damit von AAL) zu erreichen? Um die Zukunft als vielversprechend und verbessert darzustellen – so das zentrale Argument – investiert CAST stark in die Konstruktion negativer, ja sogar dystopischer, Gegenwarts-Interpretationen. Schlussendlich erweist sich „die Gegenwart“ als stark umkämpft: Als Ort der Problematisierung; an dem Moral, soziale Normen und Ideale ausgehandelt und uminterpretiert werden, um schlussendlich ein höchst negatives Bild gegenwärtiger Zustände zu erreichen. Diese Befunde ermöglichen erst die Etablierung einer „verbesserten“ Zukunftsvision und gewähren die Positionierung von AAL als „technologischer Fix“.
Die Frage: „Wie werden soziale und technologische Ordnungen in der Produktion von Zukünften ko-produziert“, stellt also die Positionierung von Zukunft und Gegenwart in den Mittelpunkt, sowie die Mittel zur Re-Konfiguration verschiedenster darin einbezogener (oder exkludierter) Akteure. Schlussendlich aber ist es vor Allem die Frage nach der Inskription und Re-Konfiguration sozialer Moralvorstellungen, die hier aufgeworfen wird. Und führt schlussendlich dazu, dass der Leser vor die Frage gestellt werden muss: Ist diese Zukunft, die CAST bewirbt, eine die wir akzeptieren wollen (oder gar können)?