Abstract (deu)
Über 40 Arten der Pflanzengattung Cecropia sp. (Urticaceae) leben mit Azteca Ameisen (Formicidae, Dolichoderinae) in Symbiose. Die Pflanzen bieten hohle Stängel als Nistraum und bilden in Haarpolstern (Trichilien) an der Basis des Blattstiels Nahrung für die symbiontischen Ameisen. Diese Futterkörperchen, auch „Müller‘sche Körperchen“ (MKs) genannt, gelten gemeinhin als Futter für die Ameisenbrut. Azteca kultiviert im Inneren der Stängel aber auch Pilze (Ascomycota, Chaetothyriales), deren Funktion bei Cecropia bisher noch unbekannt ist. Ziel der vorliegenden Arbeit war es einerseits die Entwicklung der MKs zu dokumentieren. Andererseits sollte in einem metabolomischen Ansatz geklärt werden, welche Inhaltsstoffe in den MKs vorhanden sind, ob deren Nährstoffangebot für die Ameisen ausreichend ist, ob der Pilzpatch bei MK-Knappheit als Substitution verwendet werden kann oder als Nahrungsergänzung fungiert, oder gänzlich andere Funktionen als angenommen haben muss. Zudem wurden auch die Inhaltsstoffe der Ameisen in die Analyse mit einbezogen.
Die anatomischen Untersuchungen mit Binokular, Computertomographie und Lichtmikroskopie zeigten, dass in einem Trichilium eine große Menge Müller‘scher Körperchen (ca. 1000) unterschiedlicher Entwicklungsstadien vorhanden ist. Jedes Trichilium wird durch ein sehr dicht ausgeprägtes Netz an Leitbündeln versorgt und ist von einem Polster einfacher, mehrzelliger Trichome bedeckt, die sich aus der Epidermis entwickeln. Dickere, längere, weiße, komplexe Trichome sind ebenso Bestandteil der Trichompolster. Die Funktion dieser Trichomschicht liegt wohl darin, dass sie den MKs Schutz vor Fressfeinden und Austrocknung bieten und zudem als Stütze für die MKs fungieren. Die mehrzelligen MKs werden knapp unterhalb der Epidermis gebildet, wachsen rasch an, wölben die Epidermis auf und sind schließlich nur mehr über einen schmalen Bereich mit dem Trichiliumgewebe verbunden. Nach dem Erreichen der vollen Größe lösen sie sich vom Trichiliumgewebe und wandern durch die Trichompolster an die Oberfläche, wo sie von Atzeca abgeerntet werden. Untersuchungen (Rossel & Weizer 2014, unpubliziert) deuten darauf hin, dass eine Korrelation zwischen der Präsentation der MKs an der Oberfläche des Trichiliums und dem Klima besteht. Vermutlich reagieren die Trichome auf Veränderungen der Luftfeuchte und beeinflussen so den Transport der MKs an die Oberfläche.
Bei der chemischen Analyse wurde keine absolute Quantifizierung vorgenommen; durch die Berechnung der Verhältnisse der Gewebe können aber Aussagen über das Vorkommen einer Substanzklasse getroffen werden.
Artspezifische Unterschiede in der Zusammensetzung der MKs konnten fast keine festgestellt werden. Da auch Azteca bei der Cecropia-Besiedlung nicht artspezifisch vorgeht, ist es naheliegend, dass die Zusammensetzung der MKs dieser generalistischen Besiedlungsstrategie entspricht.
Bei der Analyse der Metabolite wurde in den MKs ein Großteil der für Insekten essentiellen Aminosäuren nachgewiesen. In den MKs konnte eine große Menge des, für einen Storageprotein-Typen charakteristischen, Glutamic acid festgestellt werden, was darauf hindeutet, dass die MKs an die Larven verfüttert werden könnten. In den juvenilen Azteca-Stadien fand sich eine hohe Menge an AS, was mit der Bildung von Storage-Proteinen in diesem Entwicklungsstadium erklärt werden kann. Im Pilzpatch fanden sich erstaunlich wenig AS.
In den MKs wurden große Mengen des Kohlenhydrats Sucrose dokumentiert. Zudem wird in den MKs Glykogen eingelagert (Bischof et al. 2013). Das Vorkommen größerer Mengen für generalistische Ameisen attraktive Kohlenhydrate und Aminosäuren, sowie das Abernten der MKs durch andere Insekten deuten darauf hin, dass keine Exklusion symbiosefremder Insekten durch die Zusammensetzung der MKs gewährleistet wird. Im Pilzpatch wurden zwar durchschnittlich wenig Kohlenhydrate dokumentiert, doch einige Zucker, z.B. Trehalose, der wichtigste Zucker der Insektenhämolymphe, wurden in größeren Mengen im Pilzpatch als in den MKs nachgewiesen. Die meisten Fettsäuren wurden in den Puppen und Trichomen dokumentiert.
Besonderes Augenmerk wurde auf die Sterole gelegt, da Insekten diese nicht selbst synthetisieren können, sondern diese durch die Nahrung aufnehmen müssen. In den MKs und Trichomen wurde das in Pflanzen seltene Cholesterol nachgewiesen. Wie Glykogen ist vermutlich auch das Vorhandensein von Cholesterol ein Indiz für die Anpassung der MKs an die Nährstoffbedürfnisse des Symbiosepartners. Hohe Mengen von Phytosterolen, die Insekten teilweise zu Cholesterol umbauen können, wurden überraschenderweise in den Trichomen nachgewiesen. Möglicherweise nimmt Azteca über Bruchstücke der Trichome diese Sterole mit den MKs gemeinsam auf. Das Vorkommen von Phytosterolen im Pilzpatch könnte für deren Eignung als Nahrungsreserve für Azteca sprechen.
Weder die ethologischen Untersuchungen noch die chemische Analyse lieferten Hinweise darauf, dass die MKs zur Düngung des Pilzpatchs verwendet werden. Die Analyse der Metabolite lassen auch kaum Rückschlüsse darüber zu, ob es sich beim Pilzpatch um eine wichtige Stickstoffquelle handelt. Die Untersuchung unterstützt jedoch die Hypothese, dass der Pilzpatch von Azteca als Ersatznahrung verwendet wird. Die chemische Zusammensetzung von Pilzpatch und MKs ähneln einander, was ein Indiz dafür darstellt, dass beide als Nahrung für Azteca dienen. Möglicherweise greift Azteca bei Nahrungsknappheit auf den Pilzpatch zurück. Da nachgewiesen wurde, dass Hyphen von Chaetothyriales in anderen Assoziation an die Ameisen-Larven verfüttert werden (Blatrix et al. 2012), ist es zudem vorstellbar, dass der Pilzpatch auch eine Ergänzung der Ernährung der Larven darstellt. Ein anderes Kohlenhydratspektrum und das Vorhandensein von Phytosterolen im Pilzpatch deuten darauf hin. Diese Annahme muss aber durch weiterführende Untersuchungen überprüft werden.