Abstract (deu)
Der Gesetzgeber bedient sich im Rahmen des Umweltrechts unterschiedlicher Technikklauseln, um den Maßstab für das Erlaubte und Gebotene festzulegen. Damit geht zum einen eine Entlastung der gesetzlichen Normsetzung einher, zum anderen wird auf diesem Weg eine Flexibilisierung der gesetzlichen Vorgaben erreicht. Im äußerten Fall kann bereits das, was jeweils technisch machbar beziehungsweise wissenschaftlich erforscht ist, zum Inhalt gesetzlicher Vorgaben erhoben und damit in den Dienst des Umweltschutzes gestellt werden, ohne dass es einer Novellierung der einschlägigen Bestimmungen bedürfte.
Die Kehrseite dieser Regelungstechnik ist freilich die ihr immanente Unbestimmtheit, zumal der Inhalt der gesetzlichen Regelung selbst mit dem notwendigen Fachwissen nicht ohne weiters erkennbar ist. Um den Postulaten der Rechtssicherheit genüge zu tun, existieren unterschiedliche Ansätze an generellen Konkretisierungen: im Rahmen administrativer nationaler Rechtssetzung, durch Normierungen (nationaler und internationaler) privater Organisationen und auf dem Wege eines, in „Referenzdokumente“ mündenden, europäischen Informationsaustausches. Alle diese generellen Festlegungen bewegen sich in einem mehrdimensionalen Spannungsfeld, das durch die Dynamik der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung und die vorausgesetzte Einzelfallbezogenenheit bedingt ist. Folglich kommen auch sie nicht umhin, für die notwendige Flexibilisierung vorzusorgen.
Welche Technikklausel vom Gesetzgeber in einem konkreten Zusammenhang vorgesehen werden sollte, hängt von der Verortung ihres Einsatzgebietes zwischen Gefahrenschutz und Risikovorsorge ab. Der „Stand der Technik“, wie er in mehreren österreichischen Gesetzen heute weitgehend einheitlich definiert ist, wurde im Laufe der Zeit durch die Vorgaben des europäischen Industrieanlagenrechts geformt, indem eine Angleichung an die dort gebräuchlichen „besten verfügbaren Techniken“ erfolgte. In dieser Gestalt ist er durch mehrere relativierende Kriterien eingeschränkt, die einer überschießenden Maßstabsbildung vorzubeugen suchen. Aus dem unionsrechtlichen Hintergrund wird ersichtlich, dass damit ein Instrument des vorsorgenden Umweltschutzes geschaffen wurde; also eines, das nicht dort zum Einsatz kommen soll, wo es um die Abwehr konkreter, hinreichend wahrscheinlicher Gefahren geht, sondern dort, wo aus reinen Vorsichtsgründen eine möglichst weitgehende Reduktion der betrieblichen Emissionen erfolgen soll.
Ein weiterer Einfluss aus dem europäischen Industrieanlagenrecht besteht darin, dass sich dieses nicht auf eine einmalige Ausrichtung der betrieblichen Tätigkeit am Stand der Technik beschränkt, sondern darüber hinaus eine regelmäßige Anpassung an den geänderten Maßstab fordert. Die dafür notwendige Revision des Genehmigungskonsenses steht in einem Spannungsverhältnis zum Schutz der Genehmigung unter dem Mantel der Rechtskraft. Freilich bot das gewerbliche Betriebsanlagenrecht bereits bisher Möglichkeiten, um die Rechtskraft zu durchbrechen, doch waren diese weitgehend auf den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkt. Eine regelmäßige Anpassung des Konsenses aus reinen Vorsorgeerwägungen war in diesem Ausmaß nicht vorgesehen.
Bei allen diesen Maßnahmen zum Zweck eines möglichst hohen Umweltschutzniveaus ist die Rolle der Öffentlichkeit entscheidend. Werden ihr weitgehende Kontrollrechte zugesprochen, die sich auch auf den Vorsorgebereich erstrecken, kann sie als Hebel und Katalysator zur Erreichung des gewünschten Umweltschutzniveaus wirken. Im Rahmen des gewerblichen Betriebsanlagenrechts besteht dagegen ein restriktiver Ansatz, der zu einem weitreichenden Ausschluss der Öffentlichkeit von der Geltendmachung (bloßer) Umweltrechtsverstöße führt. Vergleicht man diesen Status quo mit den internationalen und unionsrechtlichen Anforderungen, welchen Österreich zu entsprechen hat, muss der Befund an Übereinstimmung höchst zweifelhaft ausfallen.