Abstract (deu)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Diskurs um die Konkurrenzgesellschaft und der Frage, inwiefern Hinweise auf diesen Diskurs in Berichten von SchülerInnen und LehrerInnen über ihren Unterricht und das soziale Feld Schule, in welchem sie sich als AkteurInnen bewegen, gefunden werden können. Die Arbeit besteht somit aus einem theoretischen Teil, in welchem der Konkurrenzgesellschaftsdiskurs nach ausgewählten AutorInnen – insbesondere Hartmut Rosa und Erich Ribolits – auf Makro-, Meso- und Mikroebene dargelegt wird und aus einem empirischen Teil, in welchem Interviewergebnisse – von 10 narrativen und problemzentrierten Interviews mit 8 SchülerInnen und 4 LehrerInnen – beschrieben und mithilfe von Hypothesen mit dem Diskurs verknüpft werden.
Es wurden 13 Hypothesen, basierend auf dem theoretischen Diskurs über die charakteristischen merkmale einer Konkurrenzgesellschaft und das soziale Feld Schule generiert.
1. Die AkteurInnen vergleichen sich miteinander und wollen in diesem Vergleich besser abschneiden als andere.
2. Die AkteurInnen nehmen einen Imperativ der Selbstoptimierung wahr.
3. Die AkteurInnen sind selbst dafür verantwortlich, was sie erreichen und wie andere über sie denken.
4. Die AkteurInnen äußern individualistische Tendenzen.
5. Die AkteurInnen argumentieren zweckrational.
6. Das Konzept von Konkurrenz bleibt im Sprechen von den AkteurInnen unhinterfragt.
7. Die AkteurInnen passen sich an das Bildungssystem an und funktionieren nach dessen Logik.
8. Die AkteurInnen übernehmen die Begründungsmuster des Bildungssystems.
9. Die AkteurInnen sehen ökonomisch verwertbare Qualifikationen und Zertifikate als das Ziel von Schule und Lernen.
10. Die AkteurInnen nehmen einen hohen Grad an sozialer Selektivität im Feld Schule wahr.
11. Als Ideal für LehrerInnen wird angesehen, dass er/sie sich als Lerncoach verhält, nicht so sehr als Vortragende/r oder VermittlerIn von Lehrstoff.
12. Die AkteurInnen verspüren Druck und Überforderung durch den Versuch, die (neuen) vorgegebenen Anforderungen des Schulsystems erfüllen müssen.
13. Soziale Beziehungen werden von den AkteurInnen nach einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Rechnung auf das Ziel hin, besser zu sein als andere, kalkuliert.
Die Merkmale des Konkurrenzgesellschaftsdiskurses können nur teilweise wiedergefunden, teilweise muss ihnen widersprochen werden. Merkmale, die erkennbar sind, sind eine Anpassung an das Konzept des Konkurrenzdenkens, eine Tendenz bei den AkteurInnen in Richtung zweckrationales Argumentieren (insbesondere in Hinblick auf Lernen als Investition) statt wertrationales Argumentieren, der Wunsch nach mehr individueller Mitbestimmung an der Unterrichtsgestaltung, ein starker Fokus auf Eigenverantwortung und das Verwenden von Konkurrenz als Kategorisierungsinstrument. Andererseits konnten folgende, im theoretischen Diskurs beschriebenen, Merkmale nicht wiedergefunden werden, nämlich dass die AkteurInnen besser sein wollen als andere (und ihre Beziehungen auch dahingehend kalkulieren), keinen Gemeinschaftssinn hätten, nur auf sich selbst fokussiert seien und einen ständigen Druck zur Selbstoptimierung wahrnehmen würden. Es zeigte sich lediglich, dass die AkteurInnen zumindest nicht schlechter als andere sein wollen. Zusammenhalt und Freundschaft sind ihnen wichtig und sie scheinen zwar Druck aufgrund der Anforderungen des Systems zu spüren, jedoch keine Überforderung dadurch und schon gar nicht speziell durch neue Maßnahmen, wie VertreterInnen des Diskurses darlegen. Ambivalent zeigt sich die Haltung den dargestellten Begründungsmustern des konkurrenzgesellschaftlichen Systems gegenüber, die teilweise explizit kritisiert werden, trotzdem aber von Handlungen, die ebendiesen Mustern entsprechen, erzählt wird.
Auch wenn einige Hypothesen relativ einwandfrei bestätigt werden konnten, können die festgestellten Merkmale nicht mit Sicherheit auf eine Konkurrenzgesellschaft zurückgeführt werden. Auf der Grundlage des konkurrenzgesellschaftlichen Diskurses können die hier dargestellten Phänomene teilweise bestätigt, teilweise auch relativiert werden. Besonders in Hinblick auf den laut VertreterInnen des Diskurses abnehmenden, laut den vorliegenden empirischen Daten aber stark ausgeprägten, Gemeinschaftssinn könnte in weiterführenden Forschungen hiermit eine neue Perspektive ermöglicht werden.