Abstract (deu)
Wieso inszeniert man heute noch ein Stück von Bertolt Brecht? Das ist eine zentrale
Fragestellung dieser Masterarbeit, die zunächst ausgewählte Lebensstationen des Autors und
Stückeschreibers Brecht aufgreift, die für das im Fokus stehende Stück Mutter Courage und
ihre Kinder von Bedeutung sind und danach einige Begründungen findet.
Brecht, der die Figur der Mutter Courage stets kritisierte und veränderte, wird im ersten
Abschnitt dieser Arbeit mit Bezug auf Brecht-Forscher wie Jan Knopf, Klaus-Detlef Müller
oder Werner Hecht in seiner Gegenwart verortet, um die Entstehung des Courage-Stücks
geschichtlich sowie politisch einzuordnen. Neben der Klärung einiger wichtiger
Begrifflichkeiten wie Brechts epischem Theatermodell, seinem Kunstverständnis, seine
Äußerung zu dem Zusammenhang von Krieg und Bild oder auch der Erläuterung seines
Realismusbegriffs nähert sich die vorliegende Arbeit an die Brechtsche Art der
Theaterdokumentation an, die Modellbücher, um in weiterer Folge auf das für das Stück
relevante Couragemodell einzugehen.
Diese Arbeit geht in einem zweiten Abschnitt auf den Grund ein, weswegen Brecht die
Handlung seines Courage-Stücks im Dreißigjährigen Krieg ansetzt, der im 17. Jahrhundert
einzuordnen ist und damit zur Zeit, in der der Autor das Stück verfasste, bereits etwa 200
Jahre zurücklag. Neben Brechts Kenntnis über diesen Krieg wird auf Quellen eingegangen,
auf deren der Bezug des Stückeschreibers manifest ist, weiter auf die Entstehung zur Zeit des
beginnenden Zweiten Weltkriegs im skandinavischen Exil und die Form des Stücks. Die
Uraufführung 1941 durch Leopold Lindtberg findet deswegen Erwähnung, da sie den Anlass
für Brecht darstellte, die Figur der Mutter Courage umzuschreiben. Mit der Nennung vierer
Einstudierungen, die Brecht selbst inszenierte, werden Veränderungen aufgezeigt, die das
Stücks erfuhr. Auch die länderübergreifende, wachsende Bedeutung Brechts und seines
Schaffens wird erwähnt, etwa mit Bezug auf Roland Barthes. Weitere wichtige
Quellengrundlagen dieses zweiten Teils machen wiederum Müller und Hecht, aber auch etwa
Jan-Esper Olsson aus.
Der dritte und letzte Abschnitt der Arbeit behandelt die gegenwärtige Inszenierung des
Courage-Stücks im Wiener Burgtheater durch Regisseur David Bösch, die in der Spielzeit
2013/14 Premiere hatte. Diese wird auf Aktualisierungen, aber auch an Annäherungen an
Brechts Theaterstil sowie Zitate des Autors hin betrachtet. Der weitere Fokus liegt auf dem
Bühnenbild und der Kostümierung, um in Folge Figurencharakteristiken und Liederanalysen
zu präsentieren. Sechs exemplarische Szenen geben Einblick in von Bösch angewandte Verfremdungen, zeigen aber auch Momente von Einfühlung auf, die sich von Brechts
epischem Modell entfernen.
Einem Blick auf das Schaffen Böschs sowie die zu dieser Inszenierung verfasste Theaterkritik
folgt eine Betrachtung von Gründen für eine Rechtfertigung einer Inszenierung dieses
Antikriegsdramas in unserer heutigen Zeit, die sich etwa auf Äußerungen Elfriede Jelineks,
Claus Peymanns, aber auch der Mutter Courage der Burgtheater-Inszenierung, Maria Happel,
beziehen, auch eigene Ansätze fließen ein. Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass dieses
Stück Brechts einige Punkte beinhaltet, die zeitloser Natur sind, in diesem Sinne eine heutige
Inszenierung, nicht zwingend in der Art Brechts, rechtfertigen.
Ausgewählte Szenenfotos finden sich im Anhang dieser Arbeit. Sie sollen der
Anschaulichkeit der beschriebenen Szenen und Figuren dienen.