Abstract (deu)
Freundschaft nimmt in Nietzsches Denken und Leben eine herausragende Stellung ein. In seinem Schaffen finden sich deutliche Spuren einer kontinuierlichen philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema der Freundschaft, die in seinen Schriften, nachgelassenen Fragmenten und Briefen verstreut sind. Obwohl allein das Wort „Freundschaft“ sehr häufig in seinem Werk vorkommt, ist die Freundschaftsthematik in der Nietzsche-Sekundärliteratur bisher wenig behandelt worden.
Friedrich Nietzsche hat wie kein anderer Denker die ambivalente Natur der Freundschaft erkannt, dargestellt und durchlebt. Vorliegende Untersuchung will einen Beitrag dazu leisten, diese „Dialektik der Freundschaft“ mit Nietzsche auf den philosophischen Begriff zu bringen.
Einzelne Teile der Arbeit untersuchen Nietzsches Bemühen um die Freundschaft
- als Unentbehrlichkeit und zugleich Unmöglichkeit
- als Aufhebung des klassischen Gegensatzes von Freund
und Feind
- im Blick auf die Freunde der Zukunft
- im Postulat der Sternen-Freundschaft
- in ihrer Veränderlichkeit in der Gespenster-Freundschaft
- im Brechen von Freundschaften
- in der Freundschaftskomposition des „Hymnus an die
Freundschaft“
- im lebenslangen Streben, Freundschaftsbündnisse zu
begründen.
Nietzsche ist vielleicht der letzte Philosoph, für den Freundschaft die Lebensform des Philosophen und das Medium des Denkens bildet. Philosophie wird verstanden als geistige Übung, als Arbeit am Selbst, in der sich Theorie und Praxis vereinigen. Beständig richtet sich Nietzsches Bestreben darauf, in Freundschaft zu leben, zu lernen und zu lehren. Der Freundschaftsbund mit Gleichgesinnten ist die Hoffnung und der Traum seines Lebens und wird exemplarisch anhand der Tribschner Gemeinschaft der Unzeitgemäßen mit Wagner, der Basler „Tisch-, Haus- und Gedankenfreundschaft“ mit Overbeck, des Sorrentiner „Klosters für freiere Geister“ mit Meysenbug und Rée sowie der sogenannten „Heiligen Dreieinigkeit“ mit Rée und Salomé dargestellt.
Einen Kulminationspunkt in Nietzsches Schaffen bildet der § 279 der „Fröhlichen Wissenschaft“, der Aphorismus über „Sternen-Freundschaft“, dem wir daher eine eingehende Analyse widmen. Endlichkeit und Fortdauer der Freundschaft über das Ende hinaus werden hier zusammengeführt. Aufgrund der Bedeutsamkeit dieses Aphorismus für Nietzsches Konzept der Freundschaft wird seine Genese anhand der textlichen Vorstufen rekonstruiert.