Abstract (deu)
Jegliche non-verbale Interaktion ist von einer Vielzahl hochkomplexer, impliziter und prozeduraler Vorgänge und Erfahrungsdimensionen begleitet- sei es ein flüchtiger Händedruck oder eine Situation im Kontakt Improvisationstanz. Der Großteil situativ gebundenen und körperlich verankerten Wissens um eine gelebte Erfahrung bleibt jedoch unbewusst und dementsprechend schwer explizierbar. In vorliegender Arbeit wird theoretisch und empirisch-praktisch erprobt, inwiefern die gelebte Erfahrung von Kontakt Improvisationstänzer*innen ein ‚erforschbarer‘ Forschungsgegenstand ist. Zur Untersuchung zeitlich kurzer, aber dichter Interaktionssituationen wird in Anlehnung an Daniel Stern, Eugene T. Gendlin, Claire Petitmengin und (neuro)phänomenologische Weggefährt*innen das methodische Instrument des ‚mikroanalytischen Explikationsinterviews‘ (MEI) eingeführt und mit unstrukturierten teilnehmenden Beobachtungen, sowie der verkörperten Erfahrung der Autorin und Tänzerin angereichert. Es zeigt sich, dass die gelebte Erfahrung der Kontakt Improvisationstänzer*innen zwischen drei Phasen und entsprechenden (Selbst)Empfindungen oszilliert: ‚Sich-Einlassen‘, ‚Sich-Verbinden‘ und ‚Miteinander-Verschmelzen‘. Die Tänzer*innen erleben sich selbst in Bezug zum/zur tanzenden Anderen als Mehr- und Einheit zugleich mit durchlässigen, sich ausdehnenden Körper- und Identitätsgrenzen. Sie ko-kreieren über wechselseitige Rückkopplungs- und Synchronisationsdynamiken einen mehrdeutigen Erfahrungsraum, der die abendländisch binäre Weltordnung unterläuft und an initiale, der Sprache ontogenetisch vorgängige Seinszustände anklingt.