Abstract (deu)
Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff ‚Fanfiction‘ weiten Teilen der Gesellschaft unbekannt. Er bezeichnet von Fans produzierte Werke, in denen diese Charaktere und/oder Handlungsstränge aus bestehenden Texten, wie Büchern, TV-Serien, Filme etc. verwenden. Die Produktion von Fanfiction ist ein gutes Beispiel dafür, dass Fans keine passiven Konsument*innen kultureller Produkte sind. Vielmehr wird deutlich, dass sie die Medieninhalte, die sie konsumieren, diskutieren, reflektieren, sogar in eigenen kulturellen Produkten (wie eben Fanfics) an ihre individuellen Bedürfnisse und Vorstellungen anpassen. Zwei zentrale Erkenntnisse Fanfictionforschung sind, dass sich erstens ca. 90% der Fanfiction-Autor*innen mit dem weiblichen* Geschlecht identifizieren (Green et al. 2006: 61-62, FFN Research 2010) und dass diese zweitens in ihren Texten überproportional häufig Charaktere ‚slashen‘, d.h. kanonisch heterosexuell kodierte Charaktere queeren (u.a. Jones 2002, Destination: Toast! 2013, Russo 2014).
Obwohl sich zahlreiche Fanfiction-Forscher*innen mit Fem-/Slash-Fanfiction, also ebendiesen ‚gequeerten Texten‘, beschäftigt haben, wurde bisher nicht danach gefragt, welche Bedeutung diese Form der medialen Repräsentation für queere Fans hat. Die vorliegende Arbeit soll zur Füllung dieser Forschungslücke beitragen. Ziel meiner Masterarbeit ist es, eine Art Stimmungsbild davon zu zeichnen, welche Rolle Fem-/Slash-Fanfiction speziell für queere Leser*innen spielt. Ich beschäftige mich insbesondere damit, welche Gründe queere Leser*innen dazu bewegen, Fem-/Slash-Fanfiction zu lesen und frage damit verbunden danach, welche Potenziale sie auf einer persönlich-individuellen Ebene wie in einem politisch-subversiven Kontext im Slashen von Quelltexten bzw. im Konsum von Fem-/Slash-Fanfics sehen.
Nach einer kurzen Einführung in das Basisvokabular der Queer/Cultural Studies frage ich anhand der Ergebnisse aus zehn problemzentrierten Interviews (nach Andreas Witzel), die ich mit (selbstidentifiziert) queeren Fem-/Slash-Leser*innen geführt habe, danach, welche Bedeutung queere Fanfiction-Leser*innen Fem-/Slash-Fanfiction zuschreiben. Ich stelle dar, dass Fem-/Slash-Fanfiction für queere Fans eine ganze Reihe wichtiger Funktionen auf persönlicher Ebene hat. Dabei zeige ich auf, dass es ein speziell queeres Erfahren von Fem-/Slash-Fanfiction gibt und welch besondere Rolle diesem in Coming Out-Prozessen von Jugendlichen zukommt. Im Anschluss daran reflektiere ich, weshalb meine Interviewpartner*innen dem Medium nur ein begrenztes politisches bzw. gesellschaftskritisches Potenzial zusprechen bzw. an welchen Punkten sie dennoch die Möglichkeit zur Subversion gesellschaftlicher Normen sehen.