Abstract (deu)
Abstract (German)
Evolutionäre Psychologie versucht die sozialen Phänomene des Menschen auf der Basis von Individuellen Neigungen zu erklären, welche von einer universellen Modulation der Psyche, die sich in einem angeblichen Umfeld der evolutionären Adaption auf Grund von wiederkehrenden Anpassungsproblemen, mit der die Menschheit konfrontiert war, formte. Kultur wird als etwas beschrieben, dass aus der individuellen Psyche hervorgeht, welche durch konstant wiederkehrende soziale und umweltbedingte Situationen geprägt wurde, was zu der Existenz von universellen Denk- und Handlungsmustern der Menschen führte. Basierend auf Modellen die schon in der Soziobiologie Anwendung fanden, wie beispielsweise dass der genetischen „Gesamtfitness“ oder insbesondere „Verwandtenselektion“, argumentiert die evolutionäre Psychologie damit, dass durch selektiven Druck auch Module enstanden sind, welche auf das soziale Umfeld reagieren, wenn sie spezifischen Input erhalten.
Die evolutionären Psychologen Tooby und Cosmides kritisieren das „Einheitsmodell der Sozialwissenschaften“ auf Basis seiner Annahme, dass Einflüsse der Umwelt die der biologischen Anlagen übertrumpfen, genauer gesagt, dass es eine Dichotomie zwischen den beiden annimmt, welche ihnenzufolge aber nicht getrennt betrachtet werden können. Dabei konzipieren sie eine allumfassende Biologie in Form von angeborenen und allen Menschen zugrundeliegenden Programmen, die durch bestimmte Umwelteinflüsse und Phasen des Lebens aktiviert werden, und sogar spezifische, vorgefertigte Inhalte der Psyche mitsichbringen. Diejenigen Mechanismen, welche soziale Aspekte des Verhaltens der Menschen betreffen, führen zur Existenz einer „allgemeinen metakulturellen Struktur“ die als universale Basis dafür gilt, dass variable Kulturformen entstehen können.
Theorien von AnthropologInnen die dem Paradigma des Kulturmaterialismus angehören, erklären Gesellschaft im Gegensatz nicht aufgrund von Neigungen und Handlungen der einzelnen Menschen, sondern verweisen auf äußere Einflüsse, sowie auf emergente Eigenschaften der Gesellschaft, welche nicht reduziert betrachtet werden können, ihrerseits aber sogar die Gedanken und Handlungen der Individuen beinflussen. Ein besonderer Kritikpunkt ist an die Arbeit des evolutionären Psychologen Steven Pinker gerichtet, welcher Studien über Jäger und Sammler benutzte um zu behaupten, dass der moderne Menschen friedfertiger geworden sei. Doch erstens waren die Gesellschaften auf die sich Pinker bezogen hat in Wahrheit nicht alle Jäger und Sammler sondern betrieben auch Hortikultur, was eine Form der Subsistenz darstellt die im Zusammenhang mit der Entstehung von Krieg steht. Zweitens bezieht sich Pinker auch auf Gesellschaften, welche zur Zeit der Erhebung bereits von den Auswirkungen der westlichen Kultur beeinflusst wurden, wie beispielsweise die Yanomami. Brian Ferguson widerlegt diese Theorie und zeigt, dass Jäger und Sammler generell keine organisierte Kriegsführung betrieben haben, indem er auf archeologische Evidenzen verweist.
Evolutionäre Psychologie wurde von Vertretern diverser Disziplinen, sei es aus der Biologie, den Neurowissenschaften, der Anthropologie oder den Sozialwissenschaften, sowohl aus politischen als auch wissenschaftlichen Gründen kritisiert. Sahlins, Gould und Lewontin haben diese Art der Kritik schon gegen die Soziobiologie ausgeübt, welche eine Strömung darstellt, die als intellektueller Vorreiter der evolutionären Psychologie verstanden werden kann. Marshall Sahlins verwendete ethnographische Erhebungen um zu beweisen, dass Mechanismen der Soziobiologie, wie etwa Verwandtenselektion, keinen Erklärungsgehalt im Hinblick auf die Interaktionen der Menschen hat. Er kritisierte unter anderem auch, dass diese Erklärung von evolutionären Prozessen auf westlich-kapitalistischen Ideologien der individuellen Profitmaximierung basieren, welche zuallererst auf das Tierreich und folglich auf die menschliche Gesellschaft angewendet werden.
Vergleiche zwischen den Neigungen von Menschen und anderen Tierarten, wurden schon von der Soziobiologie angewendet um soziale Phänomen des Menschen zu erklären. Obwohl evolutionäre PsychologInnen grundsätzlich die Eigenart der menschlichen Natur hervorheben, wird diese oft durch Bezugnahme auf Beobachtungen und Theorien über Tierverhalten begründet. Diverse Tierarten dienten als Modelle für menschliche Eigenschaften, allen voran wurden Erkenntnisse über unsere genetisch am nächsten Verwandten aus der taxonomischen Familie der Primaten, den Hominiden, im Besonderen über Schimpansen (Pan troglodytes) und Bonobos (Pan paniscus), herangezogen. Brian Ferguson und andere haben gezeigt, dass Umwelteinflüsse eine oft vernachlässigte Wirkung auf das Entstehen von aggressiven Verhaltensweisen haben, welche auch nicht auf angeborene Attribute reduziert werden können. David Adams brachte den Nachweis dafür, dass es keine individuelle, biologische Basis für die Entstehung von Krieg gibt. Dies wird erläutert indem er auf die Widerlegung von biologisch angeborenen Unterschieden der Aggressivität von Frauen und Männern verweist und auch betont, dass selbst wenn es diese gäbe, institutionell begründetes Verhalten keine direkte Repräsentation des individuellen Verhaltens der Menschen darstellt.
Die Methode der evolutionären Psychologie um menschliche Universalien empirisch nachzuweisen, besteht darin, interkulturelle Studien heranzuziehen. Diese werden aber dahingehend kritisiert, dass sie oftmals auf Subjekten basieren, welche in Wahrheit aus wohlhabenden, industrialisierten, westlichen, und demokratischen Gesellschaften, mit hohem Bildungsstand stammen. Durch die Annahme, dass Jäger und Sammler als Modell für das Leben dienen können, welches unsere Vorfahren in einer „Umwelt der evolutionären Angepasstheit“ bewältigen mussten, werden auch hier menschliche Universalien gesucht. In dieser Hinsicht wurde die Kritik geäußert, dass die meisten Gesellschaften die hierfür herangezogen wurden, zur Zeit der Erhebung bereits von anderen Gesellschaften beeinflusst worden waren.
Abschließend bleibt zu sagen, dass die evolutionäre Psychologie unmittelbare Ursachen durch eine Bezugnahme auf Endursachen hypothetisch erklärt, welche erst im nachhinein empirisch überprüft werden und sich dabei oftmals auf Beobachtungen von Tierverhalten beziehen. Folglich kann jede beobachtete Eigenschaft oder soziale Interaktion willkürlich und theoretisch auf die Effekte einer evolutionären Anpassung zurückgeführt werden, welche unsere Vorfahren mit einer bestimmten Häufigkeit konfrontierten. Dies führte angeblich dazu, dass spezifische Module im Gehirn entstanden sind, welche die Psyche in einer mehr oder weniger vorgefertigten Art auf externe und interne Stimuli reagieren lassen. Namhafte evolutionäre PsychologInnen wie Tooby und Cosmides behaupten, dass die einzigen alternativen Erklärungen der menschlichen Gesellschaft auf ideographisch orientierten Zugängen der Geisteswissenschaften basieren, wobei sie ignorieren, dass es auch nomothetisch orientierte Sozialwissenschaften wie die des Kulturmaterialismus gibt. Hiermit begründen sie ein falsches Dilemma, welches auf einem informellen Fehlschluss basiert.