Abstract (deu)
Seismische Anisotropie im Erdinneren ist von zentraler Bedeutung: Sie liefert Informationen über geodynamische Prozesse, spiegelt das aktuelle Spannungsfeld wieder, und enthält Informationen über die Deformationsgeschichte innerhalb und zwischen Kontinenten. Diese Arbeit beschreibt Untersuchungen von anisotropen Eigenschaften des oberen Mantels unterhalb der Ostalpen und des Pannonischen Beckens, Regionen, die seit der Kreidezeit verschiedenen Deformationsprozessen unterworfen waren. Gegensätzliche Hypothesen zu Subduktionssystemen, die Vielfältigkeit von geologischen Erscheinungen und eine komplexe Tektonik führen dazu, daß viele Fragen über diese Regionen noch unbeantwortet sind. In dieser Arbeit werden Parameter seismischer Anisotropie mittels Scherwellen-Splitting von Kern-Scherwellen-Phasen (SKS) bestimmt, um Deformationen in der Tiefe zu charakterisieren und mit Oberflächengeologie und Topographie zu vergleichen.
Die vorliegende Arbeit umfasst drei Hauptthemen: Zunächst wird das Muster der Anisotropie entlang der Alpen präsentiert. Dieses verläuft parallel zur Topographie und zeigt eine fortlaufende Rotation entlang der Bergkette. Auf Höhe der Ostalpen wird das Muster unterbrochen und zeigt dort lokale laterale Veränderungen der Anisotropie. Durch Modellierung der azimutalen Abhängigkeit der Splitting-Parameter wird zusätzlich die vertikale Variation der Anisotropie untersucht. Hieraus resultierend wird ein zwei-Schichten Modell für die Anisotropie unter den Ostalpen vorgeschlagen. Die tiefere der beiden Schichten wird mit einer abgetrennten tektonischen Platte in Verbindung gebracht, während die obere Schicht auf Fließbewegungen in der Asthenosphäre zurückzuführen sind.
Der zweite Teil befasst sich mit dem Tauern-Fenster der Alpen und untersucht in dieser Region die Kopplung zwischen Kruste und Mantel mittels Vergleich der Deformation der unteren Kruste mit Informationen aus seismischer Anisotropie. Messungen legen eine mechanische Kopplung von Kruste und oberem Mantel nahe und geben Hinweise auf die Tiefenausdehnung der Lithosphäre der adriatischen Ausbuchtung auf der Europäischen Platte.
Des weiteren wird die Struktur tiefer Verformungen unter dem Pannonischen Becken und benachbarten Gebieten erforscht. Hierfür wird seismische Anisotropie kombiniert mit Untersuchungen an verformten Xenolith-Proben. Hierbei wird eine weiträumige Anisotropie in der Asthenosphäre aufgezeigt, welche möglicherweise mit der oberen anisotropen Schicht unter den Ostalpen verbunden ist. Das plausibelste Modell für die Interaktion des asthenosphärischen Mantels mit der überlagerten und umgebenden Lithosphäre verbindet fluss-induzierte NW-SO Ausrichtung in der Asthenosphäre mit einem NO ausgerichteten, stauchenden Spannungsfeld zwischen der Adriatischen und der Ost-Europäischen Platte.
Im Ergebnis zeigen diese Studien eine vergleichsweise einfache Struktur der seismischen Anisotropie im oberen Mantel, im Gegensatz zur komplexen Geologie und Oberflächendeformation im Gebiet der Ostalpen, der Karpathen und des Pannonischen Beckens. Hieraus folgt, dass diese Anisotropie mit NW-SO Ausrichtung aus dem asthenosphärischen Mantel stammen muss.