Abstract (deu)
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die differenzierte Erfassung des subjektiven Erlebens der Entwicklungsphase Emerging Adulthood – einer Entwicklungsphase zwischen Jugend und jungem Erwachsenenalter (Arnett 2000a, 2004, 2006) – an einer studentischen Stichprobe. Hinweise aus der Literatur, welche die Theorie dieser Phase aufgrund unzureichender Diversität kritisierten, waren Anlass für dieses Forschungsvorhaben. Von besonderem Interesse sind Unterschiede hinsichtlich Identitätsentwicklung, Persönlichkeit, der Dimensionen von Emerging Adulthood, dem subjektiven Erwachsenenstatus, objektiver Kriterien des Erwachsenseins sowie Zukunftsaussichten.
Die Erhebung erfolgte mittels Online-Fragebogen, für welchen insgesamt 1023 Studierende (533 Frauen) rekrutiert werden konnten. Der Fragebogen umfasste die Dimensions of Identity Development Scale (DIDS; Luyckx et al., 2008) in deutscher Übersetzung von Schütz (2011), das Inventory of the Dimensions of Emerging Adulthood (IDEA; Reifman et al., 2007) in der deutschen Fassung (IDEA-G2; Sirsch et al., 2007) sowie das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI; Costa & McCrae, 1992) in deutscher Übersetzung mit 30 Items (NEO-FFI-30; Körner et al., 2008). Zusätzlich wurden der subjektive Erwachsenenstatus (PAS; Arnett, 2001), erfolgte und geplante Schritte ins Erwachsenenalter sowie das Ausmaß an freud- und sorgenvollen Zukunftsgedanken erhoben.
In Anlehnung an die Arbeit von Luyckx et al. (2008) wurden sechs Identitätsstatus ermittelt. Die Status unterscheiden sich in ihrem Explorationsverhalten sowie in dem Ausmaß an eingegangenen und emotional bedeutsamen Verpflichtungen. Es konnten Personen mit übernommener Identität, Personen mit erarbeiteter Identität, ein undifferenzierter Identitätsstatus, eine unentschiedene Personengruppe sowie zwei Moratorium-Status identifiziert werden.
Es konnte gezeigt werden, dass die Identitätsstatus in den genannten Bereichen bedeutsam voneinander differieren. Personen mit erarbeiteter Identität weisen geringen Neurotizismus, hohe Extraversion und hohe Gewissenhaftigkeit in ihrer Persönlichkeit auf. Sie haben geringe Sorgen beim Blick in die Zukunft und fühlen sich in hohem Maße erwachsen. Personen mit übernommener Identität sind kaum offen für neue Erfahrungen, unreflektiert und wenig selbständig in der Gestaltung ihres Lebens. Sie fühlen sich sehr erwachsen und freuen sich in hohem Maße auf die eigene Zukunft. Personen im undifferenzierten Status zeichnen sich durch durchschnittliche Angaben hinsichtlich Persönlichkeit, Identitätsentwicklung, Zukunftsperspektiven und subjektivem Erwachsenengefühl aus. Unentschiedene scheinen noch nicht auf der Suche nach dem eigenen Lebensweg zu sein. Sie fühlen sich wenig erwachsen, sind eher wenig offen für Neues und verrichten Aufgaben generell mit wenig Engagement. Personen im Status Moratorium I weisen eher wenige Verpflichtungen im Leben auf und sind gleichzeitig offen für etwaige Alternativen. In ihrer aktuellen Lebenssituation nehmen sie Unbeständigkeit und Stress wahr, Zukunftsaussichten sind eher von Sorgen als von Freude geprägt. Personen im Status Moratorium II zeigen ein starkes Explorationsverhalten, welches oftmals als krisenhaft erlebt wird. Eine Tendenz zu ängstlichem Erleben spiegelt sich auch in ihrer Persönlichkeit wider. Beim Gedanken an die eigene Zukunft empfinden sie kaum Freude, jedoch viele Sorgen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit werden – neben den Beiträgen von Hendry und Kloep (2010) sowie Nelson und Padilla-Walker (2013) als weiterer Hinweis auf die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtungsweise des individuellen Erlebens von Emerging Adulthood interpretiert.