Abstract (deu)
Das Ziel der vorliegenden Studie lag in der Erforschung von familiären Strukturen und der Einbindung des Kindes in die Familien in traditionell-lebenden Dorfgemeinschaften im Süden Malawis. Es wurde untersucht, welche und wie viele Familienmitglieder eine traditionelle Familie umfasst und wie sich die empfundene emotionale Nähe zwischen der Mutter und anderen Familienmitgliedern gestaltet. Ausgehend vom westlichen Kontext, in welchem hauptsächlich der Kernfamilie eine große Bedeutung zugeschrieben wird, wurde die Familiengröße und der Typ des Familiennetzwerkes in den Fokus gerückt und diese in Relation zu der emotionalen Nähe zwischen Familienmitgliedern gesetzt. Von Interesse waren auch die Lokalität und die Unterschiede in den Familienstrukturen zwischen matrilokal und patrilokal lebenden Familien. Ebenfalls wurden Einflussfaktoren auf die Mutter-Kind-Bindung und die Bindung des Kindes an eine sekundäre Bindungsperson eruiert, die in familiären Strukturen und der Lokalität der Hütte vermutet wurden.
Hinsichtlich der Methodik lässt sich festhalten, dass die dieser Untersuchung zugrundliegenden Daten in einem dreimonatigen Aufenthalt in Zomba im Zuge des Forschungsprojektes „Multiple Caretaking in Traditional Family Contexts of Malawi“ erhoben wurden. Dabei wurden 90 Familien besucht und über zwei Tage lang beobachtet. Zusätzlich wurden unterschiedliche Testungen mit Mutter und Kind durchgeführt. Die Erhebung der Familienstrukturen und der empfundenen Nähe der Mutter zu einzelnen Familienmitgliedern sowie innerhalb der Kernfamilie fand mit Hilfe einer an der Universität Wien für Malawi adaptierten Version des Familiensystemtest (FAST) statt. Die Bindungsbeziehungen des Kindes an die Mutter und an eine sekundäre Bindungsperson wurden mittels Attachment Q-Sort (AQS) in zweitägigen Beobachtungen erfasst. Verschiedene soziodemographische Variablen wurden im Zuge der Sozialanamnese erhoben.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass der Typ des Familiennetzwerkes sowohl einen Einfluss auf die emotionale Nähe zwischen Mutter und einzelnen Mitgliedern, als auch auf die Bindungsbeziehungen des Kindes hat. Je größer der Typ des Familiennetzwerkes, desto emotional näher steht die Mutter verschiedenen Familienmitgliedern und desto geringer fällt die Bindung des Kindes an die Mutter aus; das Kind ist aber umso besser an seine sekundäre Bindungsperson gebunden. Dabei beeinflussen sich die Bindungsbeziehungen des Kindes gegenseitig und stehen in Wechselwirkung mit dem Familiennetzwerktypen und der Lokalität der Hütte. Besonders die Mutter-Kind-Bindung wird von der Bindung an die sekundäre Bindungsperson in Interaktion mit dem Familiennetzwerktypen und der Lokalität der Hütte beeinflusst. Für die emotionale Nähe der Mutter zu ihrem Kind, dem Vater des Kindes, der Großmutter und anderen weiblichen Verwandten wurde ebenso ein Einfluss des Typs des Familiennetzwerkes gefunden. Zusätzlich wird die Mutter-Großmutter-Nähe von der Lokalität der Hütte beeinflusst.
Die Diskussion und Einordnung der Ergebnisse in die Literatur ergibt, dass die Größe des Familiennetzwerkes mit sozialer Unterstützung der Mutter einhergeht, was sich auf die Beziehungsstrukturen innerhalb einer Familie und auf die empfundene Nähe zu den einzelnen Mitgliedern auswirkt. Je mehr Unterstützung die Mutter erfährt, desto näher fühlt sie sich anderen und desto niedriger ist die Bindung zu ihrem Kind, da dieses besser an andere Personen gebunden ist, während sich die Mutter um die Arbeit auf dem Feld oder andere Aufgaben kümmert. Dahingegen weisen Kinder in kleinen Netzwerken mit ihren Müttern eher höhere Bindungswerte auf. Auch die Matrilokalität des Dorfes steht in Zusammenhang mit den Bindungswerten und macht deutlich, dass matrilokal lebende Kinder höhere Werte zu ihren sekundären Bindungspersonen aufweisen, während patrilokal lebende Kinder besser an ihre Mütter gebunden sind, wobei hierbei das Geschlecht ebenso eine Rolle spielt: Mädchen sind patrilokal, Buben matrilokal höher gebunden.