Abstract (deu)
Der Mensch ist ein einzigartiger Teil der Schöpfung, der in einer Gesellschaft lebt, die von Gewohnheiten und Normen geregelt wird. Die Gewohnheiten und Normen bilden einen grundlegenden Bestandteil der menschlichen Moral. Daher betrifft Moral die Praxis des individuellen und gemeinschaftlichen Lebens und beschreibt, was zu einer guten Gemeinschaft gehört und wie diese erhalten werden kann.
In dieser Zusammenfassung möchte ich zeigen, dass meine Arbeit sich auf Abtreibung und das Gewissen im Allgemeinen fokussiert. Jedoch stützen sich meine Thesen auf die Erfahrungen, welche ich in meinem Heimatland gemacht habe, da Abtreibung ein großes Problem in der kenianischen Gesellschaft ist, welches bis heute nicht gut aufgearbeitet wurde. Diese Problematik hat mich inspiriert, dieses sensible Thema zu behandeln, welches unsere Gesellschaft gravierend beeinflusst.
Etymologisch stammt Abtreibung von dem Wort "aboriri", das heißt untergehen, und es bedeutet den Verlust des fötalen Lebens. Abtreibung hat eine lange Geschichte seit dem Ursprung des Menschen, aber in der griechisch-römischen Zeit kam es zu einer stärkeren Ausprägung. Die Gründe dafür liegen am kulturellen Hintergrund. In der Gegenwart wurde die spezifische Frage nach dem Anfang des menschlichen Lebens zum Zentrum der Meinungsverschiedenheiten zwischen Unterstützern und Gegnern von Abtreibung, die in den „Pro Choice“ und „Pro Life“-Bewegungen ihren Ausdruck finden.
In vielen Kulturen heute ist Abtreibung ein gesellschaftliches Tabu, und dennoch gibt es eine enorme öffentliche Debatte sowohl im religiösen als auch im politischen Bereich. Es gibt zahlreiche Faktoren, die zu dieser Arbeit über das Thema Abtreibung und das menschliche Gewissen motivieren: medizinisch induzierte Abtreibung, Komplikationen durch unsichere Abtreibungen auf der ganzen Welt und insbesondere meine persönliche Begegnung als Seelsorger mit Opfern der Abtreibung bei meiner pastoralen Arbeit in Kenia. In Anbetracht dessen, dass das menschliche Leben von Anfang an schützenswert ist, zeigt sich die Tötung menschlichen Lebens durch Abtreibung als moralisch falsch.
Menschen sind mit einem Gewissen ausgestattet, das ihnen die Möglichkeit gibt, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Mit Hilfe des Gewissens sollten Menschen das Gute wählen und das Böse meiden. Das bedeutet, dass es nicht nur böse Folgen für das Kind zu vermeiden gilt, sondern auch für die Mutter des Kindes. Abtreibung bringt ernste Folgen im Leben jeder Frau mit, sei es körperlich, emotional, geistig oder psychisch. Die psychologischen Auswirkungen werden normalerweise als Post-Abortion-Syndrom zusammengefasst.
Die Mutter Kirche macht sich stark für den Schutz von Menschenleben. Dies wird aus der Tatsache, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist, für das Menschen Sorge tragen müssen, begründet. Zweitens ist der Schutz des Lebens ein Menschenrecht, das jedem Menschen zusteht. Die Kirche vertritt die Auffassung, dass dieses Recht auch dem ungeborenen menschlichen Leben zukommt.
Obwohl die Opposition gegen Abtreibung fast die gesamte Geschichte der Kirche betrifft, findet sich eine verstärkte Thematisierung des Problems der Abtreibung seit deren wachsender Legalisierung. Kirchliche Dokumente wie Gaudium et spes, Evangelium vitae und andere machen klare Aussagen gegen die Abtreibung. Vor allem Papst Johannes Paul II stellt die Position der Kirche in den Rahmen der Verurteilung einer "Kultur des Todes" und der Förderung einer "Kultur des Lebens".
Zum menschlichen Gewissen: In Anlehnung an Karl-Heinz Peschke kann das Gewissen als "die moralische Fähigkeit, die Menschen auf subjektive Weise sagt, was gut und böse ist, und das ihnen ihre moralische Verpflichtung vermittelt“ definiert werden. Einfach gesagt ist das Gewissen ein kritisches Bewusstsein, das auf Normen und Werte aufmerksam macht, die wir erkennen und anwenden.
Die Heilige Schrift betrachtet das Gewissen als eine von Gott gegebene Fähigkeit, die es jeder Person ermöglicht, Recht von Unrecht zu unterscheiden. Man muss nicht gläubig sein, um sich durch sein Gewissen leiten lassen zu können. Auch Nicht-Gläubige haben ein Gewissen. Verschiedene Theologen haben unterschiedliche religiöse Interpretationen des menschlichen Gewissens entwickelt. Mit Bezug auf spezifische Theologen wie Augustinus, den Hl. Thomas, Hl. Bonaventura und auf Papst Benedikt XVI kann man trotz aller Unterschiede einen gemeinsamen Nenner in ihren Darlegungen finden.
Der Hl. Augustinus sah das Gewissen als die Stimme Gottes im Menschen, als von Gott gegebene Fähigkeit, die es dem Menschen ermöglicht, sich an das moralische Gesetz zu halten. Für Thomas von Aquin ist das Gewissen der Akt, in dem moralisches Wissen auf konkrete Handlungen und Verhalten angewendet werden kann. Er führte die Synderesis ein, also das Prinzip der praktischen Vernunft, welches besagt, man solle Gutes tun und Böses meiden. Nach Thomas von Aquin kann die synderesis nicht fehlgehen. Auch wenn das Gewissen einen Fehler machen kann, muss man immer in Übereinstimmung mit seinem Gewissen handeln. Indem man seinem Gewissen folgt, folgt man dem Weg zu Gott.
Der Hl. Bonaventura ging davon aus, dass Menschen durch das Gewissen entdecken, was richtig und was falsch ist. Synderesis ist für ihn der Antrieb, das zu tun, was gut ist. Für Bonaventura ist das Gewissen der Repräsentant Gottes in uns. Somit wäre es böse, gegen sein Gewissen zu handeln. Im Fall von irrendem Gewissen sollte man nicht handeln, um zu vermeiden, gegen das Gewissen und damit gegen Gottes Gesetz zu handeln. Für Bonaventura hängt das Gewissen von der Synderesis ab. Synderesis ist der zündende Funke, während das Gewissen nicht zu etwas bewegen kann. Die Synderesis kann nach Bonaventura nicht durch Sünde beschädigt werden.
Das letzte Beispiel in der Reihe ausgewählter Gewissensdarstellungen stammt von Papst Benedikt XVI. Er verglich die Standpunkte einer Moral des Gewissens und einer Moral der Autorität. Die beiden Sichtweisen widersprechen einander und sind doch in ihrem Widerstreit miteinander verknüpft. Das Gewissen ist die Erinnerung (Anamnesis), die auf Wissen beruht. Das Gewissen ist die Präsenz der Stimme der Wahrheit im Menschen, die Forderungen stellt. Gewissen bedeutet die wahrnehmbare und beanspruchende Präsenz der Stimme der Wahrheit in der Person selbst.
Gewissen und Moral sind miteinander verflochten. Daher können Moral und das menschliche Gewissen als zwei Realitäten gesehen werden, die eng miteinander verbunden sind. Abtreibung ist eine menschliche Handlung, die absichtlich von Menschen durchgeführt wird. Dieselben Menschen sind mit einem Gewissen begabt, das dazu bestimmt ist, sie anzuleiten und ihnen zu helfen, zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden. Abtreibung als eine Handlung mit der Absicht, menschliches Leben zu beenden, wird in der christlichen Tradition als böse angesehen, weil Töten unschuldigen menschlichen Lebens als böse betrachtet wird und dem Prinzip des Lebens wiederspricht. Wie ist es möglich, dass ein klares moralisches Urteil gegen Abtreibung aus der Entscheidung des Gewissens resultiert und es dennoch in unseren Gesellschaften eine große Zahl von Abtreibungen gibt?
Wie verhalten sich diese beiden Wirklichkeiten zueinander? Die Pro-Life-Bewegung verbreitet die Lehre, dass menschliches Leben erhalten werden muss. Auf der anderen Seite setzt sich die Pro-Choice-Bewegung für die Freiheit der Frauen in Bezug auf ihre eigenen Körper ein und unterstützt das Recht auf Abtreibung. Aus den beiden Positionen, die durch diese beiden Gruppen vertreten sind, lässt sich eine Kollision von Rechten erkennen. Freiheit ist ein Menschenrecht und sollte respektiert werden. Auf der anderen Seite besteht das Recht zu leben, das zugleich ein größeres bzw. fundamentaleres Recht darstellt. Man muss am Leben sein, um das Recht auf Freiheit genießen zu können.
Jede Frau hat das Recht, über ihren eigenen Körper zu entscheiden. Aber dieses Recht bezieht sich nur auf ihren Körper allein. Der Embryo im Mutterleib ist weder ihr eigener Körper noch eine Erweiterung ihres Körpers. Daher sollte das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, nicht das Recht eines anderen Menschen beeinträchtigen.
Die Verfechter der Abtreibung bemühen sich, ihre Position ohne Berücksichtigung der Rolle des Gewissens zu vertreten. Die Möglichkeit einer Abtreibung wird in der Regel im Zusammenhang mit schwierigen Umständen, wie Vergewaltigung, Inzest, Behinderung und Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Mutter, thematisiert. In all diesen Situationen kann man die Überzeugung gewinnen, dass eine Abtreibung nötig sei. Allerdings ist es nie gerecht, den fundamentalen Wert des menschlichen Lebens und damit das Recht auf Schutz des unschuldigen menschlichen Lebens auch im Mutterleib zu missachten.
Im Gegensatz zur Pro-Choice-Bewegung ist die Pro-Life-Bewegung der Auffassung, dass Leben zu allen Zeiten heilig und schützenswert ist. Das Leben ist ein unveräußerliches Recht, auf das jeder Mensch Anspruch hat. Selbst im Mutterleib, hat ein Kind das Recht auf Leben. Daher ist eine direkte Abtreibung moralisch böse und für die katholische Kirche nicht akzeptabel. Aber eine indirekte Abtreibung, die auch als "therapeutische Abtreibung" bezeichnet wird, kann unter den Umständen des Grundsatzes des doppelten Effekts begründet werden.
Abtreibung stellt die Realität der menschlichen Endlichkeit dar, im Gegensatz zu Gott, der unendlich ist. Sie veranschaulicht die Tatsache, dass wir begrenzt sind, während Gott unbegrenzt ist. Die Sünde der Abtreibung ist und bleibt eine Wunde in den Augen der Kirche. Es ist der Wunsch der Kirche bis zu diesem Zeitpunkt, dass es keine Abtreibung geben soll. Dies ist jedoch praktisch unmöglich. Daher hat die Kirche versucht, einen Weg zu finden, um mit dieser Sünde umzugehen.
Die Kirche beginnt mit einer Bestätigung, dass die Abtreibung eine Bedrohung für das menschliche Leben darstellt und dass es ein Recht auf Leben gibt. Für lange Zeit versuchte die Kirche, Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die eine Abtreibung begangen haben. Dies geht klar aus den Lehren der Kirchenväter und des Kirchenrechts hervor. Aber im Laufe der Zeit hat die Kirche weiterhin ihre harte Haltung gegenüber denen, die eine Abtreibung vornahmen, verändert und ist stärker für das Prinzip der Gnade und Vergebung eingetreten. Die neueste Entwicklung auf diesem Gebiet stellt der Brief vom 1. September 2015 dar, in dem Papst Franziskus allen katholischen Priestern erlaubt, die Sünde der Abtreibung zu vergeben, was gewöhnlich nur den örtlichen Bischöfen erlaubt war, und er blies dadurch neues Leben in der Kirche. Diese Aktion von Papst Franziskus, die das Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit (2015-16) markiert, ist ein klares Indiz dafür, dass sich darin, wie Abtreibung in der Vergangenheit, wie sie jetzt und wahrscheinlich zukünftig wahrgenommen werden wird, eine Veränderung gibt.
Obwohl wir oft mit einem Sicherheitsabstand mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die wir als Schuldige ansehen, sollten wir wissen, dass Gott nicht so wie die Menschen urteilt. Anstatt zu verurteilen, müssen wir aufhören, Zuschauer zu sein und zu Akteuren werden. Es kann nur durch eine gemeinsame Anstrengung gelingen, dieses Laster, das das menschliche Leben bedroht, zu reduzieren.
Wir müssen über Gebete hinaus auch Rehabilitationsprogramme unterstützen, betroffene Frauen und solche Programme finanziell unterstützen, die Mütter bei ihrer Entscheidung unterstützen und ihnen helfen, unter schwierigen Umständen mit ihrer Entscheidung zu leben.
Die Geschichte hat gezeigt, dass Länder und Menschen aus der Sklaverei durch große Opfer befreit wurden. Abtreibung ist eine Form der Sklaverei. Damit die Menschheit davon befreit werden kann, müssen Menschen aufstehen und zur Abtreibung „nein“ sagen. Die Unfähigkeit, Schuld nach einer Abtreibung anzuerkennen ist eine schwelende Krankheit, eine Schlafkrankheit des menschlichen Gewissens. Abtreibung ist eine Schlafkrankheit, die das menschliche Gewissen befallen hat und droht, die Menschheit zu vernichten betroffen. Daher muss man ihr immer Aufmerksamkeit widmen.
Diese Arbeit ist daher ein Versuch, das menschliche Gewissen im Menschen angesichts des Übels der Abtreibung aufzurütteln, so dass sich Menschen ändern und um Vergebung von Gott bitten, der der Autor und der Ursprung des Lebens ist. Angesichts von Abtreibung im Schweigen zu verharren kommt einer Zustimmung zum Bösen gleich und verstößt damit gegen das Prinzip der Liebe. Wir sind aufgerufen dabei mitzuwirken, das Gewissen unserer Nachbarn aufzurütteln, damit sie in der Lage sind, die Realität der Abtreibung und ihre negativen Auswirkungen auf die Menschheit begreifen. Es ist eine moralische Verpflichtung für jeden einzelnen von uns, unseres Bruders Hüter zu sein.