Abstract (deu)
Die Digitalisierung ist eine Herausforderung für Tageszeitungsverlage, die eine Fokussierung auf Kernkompetenzen und darauf abgestimmte Innovationen notwendig macht, um weiterhin nachhaltigen Unternehmenserfolg zu erzielen. Gleichzeitig verlieren traditionelle Rollenbilder von Kommunikatoren und Empfängern an Trennschärfe. Die Innovationsnotwendigkeit basiert folglich insbesondere auf den Möglichkeiten dialogischer Kommunikation in digitalen Medien. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Arbeit Geschäftsmodell-Evolutionen auf Basis bestehender Kernkompetenzen mithilfe des Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur identifiziert. Die veränderten Rahmenbedingungen bewirken einerseits stärkeren Wettbewerb am Content-Markt – der Kernkompetenz informationsorientierter Medienangebote. Andererseits können sich Zeitungsverlage diese Entwicklung zu Nutze machen, indem sie User aktiv im eigenen Webangebot partizipieren lassen.
In der Dissertation wird ein Analyseverfahren entwickelt, das Content-Management datenbasiert modelliert und damit die vielzitierte Intuition („das Bauchgefühl“) der Redakteure zu Steuerungswissen formt. Eine Medienanalyse, die alle notwendigen Informationen für Entscheidungen eines interaktionalen Content-Managements bereitstellt, gibt es bisher nicht. Allerdings stehen diverse Einzelerhebungen digitaler Contents zur Verfügung, die fusioniert und in Form von Rich Data organisiert werden können, um effiziente und effektive Content-Steuerung der News-Industry datenbasiert zu stützen.
Die modellorientierte Interpretation großer Datenmengen der Webangebote von Zeitungsver-lagen wird durch die konstruktivistische Grounded Theorie angeleitet. Dazu werden Merkmale eines begrenzten Sachverhalts in einem bestimmten Zeitraum interpoliert. Grundlage dafür sind Beobachtungsdaten der Mediennutzung digitaler Contents – die sowohl rezeptives als auch partizipatives Verhalten (User-Engagement) umfassen. Synchron kann das evaluierte Verhalten der User direkt mit den jeweiligen Content-Modulen (Artikel) in Bezug gesetzt werden.
Diese Variante der Rezipientenforschung ist den konventionellen, auf Selbstauskunft basierenden Erinnerungsdaten aus Befragungen zur Nutzung von Tageszeitungen hinsichtlich ihrer Validität und Vollständigkeit vorzuziehen. Aufgrund des quantitativen Analyseverfahrens steht, wie bei standardisierten Befragungen, weiterhin das „Was“ nicht das „Warum“ des Handelns der Mediennutzer im Fokus. Datenbasierte Evaluationen werden so für ein strategisches Content-Management vor dem Hintergrund der User-Orientierung essenziell: Sie tragen zur Sicherung des Überlebens von Zeitungsverlagen, unter den Bedingungen von disruptiven Technologien, bei.
Die Ergebnisse der datenbasierten Analyse zeigen einen alternativen Ansatz für das Content-Management von Tageszeitungsverlagen auf. Statt wie bisher intuitiv, können user-orientierte Content Angebote damit auf Basis verfügbarer Daten effektiv und effizient gesteuert werden:
* Content-Management für User beruht auf anderen Erfolgsfaktoren, als für Werbetreibende: Hohe Gesamtreichweiten, wie sie für Werbetreibende opportun waren, stehen im Gegensatz zu hohen Reichweiten auf Artikelebene, die eine Deckung des Informationsbedarfs der User kennzeichnen.
* Höhere Reichweiten auf Artikelebene indizieren höheres User-Engagement-Potenzial.
* Die schiere Menge an zusätzlichen Contents, schafft keinen Mehrwert für den User – im Gegenteil. Webangebote brauchen daher eine unterstützende Organisation der Information.
* Contents der Online-Redaktion werden häufiger rezipiert und wecken höheres User-Engagement, als Contents der Zeitung „Der Standard“ oder von Nachrichtenagenturen.