Abstract (deu)
Der 1967 von Gerhard Fritsch erschienene Roman Fasching erzählt die Lebensgeschichte des erst 17-jährigen Felix Golub, der gegen Ende des 2. Weltkrieges desertiert und bei der alternden Generalswitwe, Vittoria Pisani, Unterschlupf findet.
Ausgangspunkt dieser Lebensgeschichte ist das Versteck des Protagonisten, eine Grube im Haus der Witwe, Ort von Erinnerungen und Reflexionen. Theorien verschiedener Raumkonzepte, z.B. Georg Simmel, Henri Lefebvre, und das damit verbundene Raumempfinden werden auf die Erzählräume im Roman umgelegt, anhand von Textstellen im Roman untermauert und der Fokus auf den Schwerpunkt Erziehung, Initiation, Sexualität gelenkt.
Um Felix’ Entwicklung nachzuzeichnen werden die Erziehungskonzepte im Nationalsozialismus anhand von Johanna Haarers Erziehungsratgebern mit der katholisch-religiösen Erziehung in Barbara Frischmuths Roman Die Klosterschule und Fasching verglichen. Parallelen und Unterschiede in weiblicher und männlicher Erziehung werden herausgefiltert, um eine Verbindung zwischen dem politisch-historischen Hintergrund und den Themen Kindheit und Erziehung im Roman herzustellen.
Mit Felix sexueller Initiation wird eine Umkehr der Geschlechterrollen eingeleitet, um ein pervertiertes Weiblichkeits- und Männlichkeitsbild zu skizzieren. Das Nachwirken von Otto Weiningers Untersuchungen zu Geschlecht und Charakter, sowie Sigmund Freuds Sexualtheorien manifestieren ein Frauen- und Männerbild, das bis in die 1960 Jahre der steirischen Kleinstadt des Romans hineinreicht. Dass dem emotional vernachlässigten Kind Felix sexuelle Demütigung in der Adoleszenz vorherbestimmt und die Flucht in die Narrenrolle somit eine logische Konsequenz ist, wird veranschaulicht. Fritschs, zur Groteske verzerrte Rollenumkehr, steht damit im Zeichen der Schelmenliteratur.