Abstract (deu)
Die Forschungsarbeit geht mit einer empirischen Studie der Frage nach, wie sich Migranten der zweiten Generation in Deutschland und Österreich national selbstpositionieren. Wie begründen sie ihr Zugehörigkeitsgefühl zum Land ihrer Geburt und Staatsbürgerschaft – und wie ihre Hemmungen? Dabei liegt folgende Hypothese der Arbeit zugrunde: Deutsche Migranten fühlen sich Deutschland stärker zugehörig als österreichische Migranten zu Österreich.
Zur Untersuchung wurden in beiden Ländern qualitative Gesprächsinterviews geführt. Allen Befragten war gemeinsam, dass sie der zweiten Generation angehörig sind – also in Deutschland oder Österreich geboren wurden und aufwuchsen –, und dass sie in Besitz der Staatsangehörigkeit ihres Geburtslands sind. Der Fokus lag auf einer jungen Zielgruppe im Alter zwischen 15 und 36 Jahren, mit unterschiedlichen Migrationsherkünften.
In ihrer theoretischen Herangehensweise stellt die Arbeit wesentliche Begriffe und Konzepte der Migrationsforschung vor und bezieht sie auf die Studienergebnisse. Zentral sind dabei sowohl das, oft kritisierte, Kultur-Konflikt-Verständnis, das Migranten zwischen zwei Identitäten hin- und hergerissen sieht, als auch post-moderne Ansätze wie das der „hybriden“ Identität nach Stuart Hall und das der „natio-ethno-kulturellen Mehrfachzugehörigkeit“ von Paul Mecheril. Diese Konzepte der Hybridität und Pluralität gestehen eine mehrdeutige als auch widersprüchlichen Selbstpositionierung zu. Des weiteren dient eine europaweite Studie über die zweite Generation in neun europäischen Ländern (Ties 2012) als wichtiger, wissenschaftlicher Bezugspunkt für die eigene Hypothese, da die Studie einen statistischen Unterschied zwischen Deutschland und Österreich im Zugehörigkeitsgefühl belegt.
Die ländervergleichende Auswertung der Antworten beinhaltet folgende thematischen Schwerpunkte: nationale Zugehörigkeitspositionierung; „beides“-Sein als Gefühl; Bedeutung des Passes; Zuhause und Heimat; Räume der fraglosen Zugehörigkeit.
Zusammenfassend bezieht die Arbeit ihre Forschungsergebnisse auf die wissenschaftlichen Konzepte und beschreibt folgende Analyse: Jener theoretische Prozess, den die Migrationsforschung vollzieht, spiegelt sich in seinen Facetten in den empirischen Ergebnissen wieder – länderübergreifend. So beschreiben manche Teilnehmer auf die Forschungsfrage „Bist du Deutsche(r)/Österreicher(in)?“ eine Identität, die den Konflikt thematisiert oder Zerrissenheit empfindet, die sich als „weder-noch“ begreift und Identität in Form von Ident-Sein versteht: Ganz oder gar nicht. Andere weichen dem Nationalen aus und bevorzugen eine globale oder lokale Identifizierung. Und manche beschreiben eine nationale „sowohl-als-auch“-Identität. Sie bestätigen damit das Konzept der „Hybride“, die sich nicht eindeutig, mitunter widersprüchlich, positionieren. Viele der Befragten spüren ein „mehrfaches“ Identitätsgefühl und positionieren sich strategisch und situativ oder formen bewusste Gegen- oder Alternatividentitäten.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht tauschen wollen würden. Sie wollen lieber „beides“ als „eins“ sein – in Deutschland wie in Österreich. Nationale Identität ist für sie ein Gefühl, jenseits vom Papier eines Passes.
Gleichzeitig lässt sich ein Unterschied zwischen beiden Forschungsländern feststellen. So wird die Hypothese dieser Arbeit insofern bekräftigt, als dass die „hybride“ Identität in Deutschland proaktiv artikuliert wird – und in Österreich nahezu gar nicht. „Deutscher“ zu sein, als nationalkulturelle Kategorie, scheint fragmentiert möglich zu sein und mehr im eigenem Ermessen zu liegen. In Österreich hingegen ist dies nur auf Adjektivebene artikulierbar: Als „österreichisch“ im Charakter vermag der eine oder andere sich beschreiben, aber ein Österreicher ist er dadurch noch nicht. Die Befragten besitzen ein sehr klares Vorstellungsbild davon, was ein „richtiger Österreicher“ ist: Dieser ist man „ganz oder gar nicht“ – eine Abweichung im Äußeren oder im Namen reicht, um kein „richtiger“ zu sein. Dadurch fühlen die Interviewten oft einen Fremdausschluss, dem sie machtlos ausgesetzt sind. Auf die Frage nach ihrer nationalen Positionierung wissen sie mehrheitlich keine Antwort zu geben, sie weichen aus oder zeigen sich unentschlossen. Im Gegensatz zum „Deutschtürken“ ist auch die Identität des „Austrotürkens“ keine Option.