Abstract (deu)
Die Verwendung der maskulinen Form im Deutschen zur Bezeichnung von Personen beiderlei Geschlechts, das generische Maskulinum, wird von der feministischen Sprachkritik kritisiert,
da es Frauen nicht sichtbar macht und dadurch benachteiligt. Geschlechtergerechte Ersetzungsvarianten für das generische Maskulinum stoßen jedoch in der Bevölkerung auf großen
Widerstand. Um zwei relevante Ersetzungsvarianten, die Binnen-I- und die Sternchen-Variante, einer Tauglichkeitsprüfung zu unterziehen, wurden im Rahmen eines Online-Fragebogens
ein Reiseführertext in drei Textfassungen vorgegeben: jeweils eine Fassung mit dem generischen Maskulinum, dem Binnen-I (z.B. Einwohner-Innen) und mit dem Sternchen (z.B. Einwohner*innen). Die Teilnehmenden (N = 386, 71.8 Prozent weiblich, 16–66 Jahre) wurden den Bedingungen randomisiert zugeteilt und bewerteten die Textfassungen hinsichtlich
der rezeptionsrelevanten subjektiven Kriterien Textverständlichkeit, Güte der Formulierungen,
flüssige Lesbarkeit und sprachliche Ästhetik. Als objektives Maß wurde die objektive Lesezeit erhoben. Die Bewertungen wurden auf Zusammenhänge mit dem Geschlecht, der Einstellung zu geschlechtergerechter Sprache, ambivalent-sexistischen Einstellungen sowie der Geschlechtsrollenorientierung der Teilnehmenden untersucht. Es wurden keine Unterschiede
hinsichtlich der vier Textbewertungskriterien und der Lesezeit zwischen den Textfassungen festgestellt. Benevolent-sexistische Einstellungen waren mit positiveren Bewertungen
der generisch maskulinen Fassung hinsichtlich der Güte der Formulierungen, der flüssigen Lesbarkeit und der sprachlichen Ästhetik assoziiert, nicht aber mit den Bewertungen der geschlechtergerechten Textfassungen. Es wurden keine signifikanten Effekte des hostilen Sexismus, des Geschlechts, der Einstellung zu geschlechtergerechter Sprache und der Geschlechtsrollenorientierung festgestellt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die konkrete Umsetzung
geschlechtergerechter Sprache nicht als störend erlebt wird; negative Einstellungen gegenüber geschlechtergerechter Sprache scheinen lediglich auf abstrakter Ebene vorhanden zu
sein.