Abstract (deu)
Die vorliegende Forschungsarbeit verfolgt das Ziel, bei der medialen Berichterstattung über ein wirtschaftspolitisch komplexes Themengebiet, einerseits Frames zu identifizieren und andererseits die Perspektivität der medialen Berichterstattung aufzuzeigen. Im Fokus der Arbeit steht die Berichterstattung über die Schuldenkrise Griechenlands. Die Problemdefinition umfasst die langandauernde Schuldenkrise, die in der medialen Öffentlichkeit sehr präsent ist. Ein Ansatzpunkt für das Problem- und Konfliktpotenzial des Themengebiets ist der Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza, die mit ihrer Politik speziell die Maßnahmen und Reformprogramme der Geberstaaten bzw. der europäischen und internationalen Institutionen, herausfordert, kritisiert und ablehnt. Dementsprechend steht auch der Einfluss dieses Wahlsieges auf die Berichterstattung im Fokus. Der Untersuchungszeitraum umfasst einige Monate vor, und einige nach dem Wahlsieg von Syriza. Als Untersuchungsgegenstand wurden die beiden deutschen Leitmedien der überregionalen Qualitäts-Tageszeitungen Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung gewählt, da generell Deutschland bzw. die deutsche Regierung und speziell auch deutsche Printmedien im Kontext der Schuldenkrise Griechenlands eine besondere Rolle einnehmen.
Die Forschungsarbeit baut im Wesentlichen auf zwei theoretischen Ansätzen auf. Mit der Governance-Theorie werden zentrale Konzepte wie die institutionelle Regulierung von Märkten, Policy-Transfer-Forschung, Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerbspolitik, sowie die Notwendigkeit der Legitimierung von politischer Herrschaft diskutiert. Die Erkenntnisse aus der Governance-Theorie helfen dabei, die inhaltlichen Ergebnisse der eigenen Analyse zu interpretieren. Der Framing-Ansatz ist jene kommunikationswissenschaftliche Perspektive, mit der die Kommunikationsinhalte analysiert und interpretiert werden.
Die empirische Analyse der vorliegenden Arbeit baut dabei auf einem vierstufigen Framing-Konzept auf. Das thematische Framing, im Zuge dessen inhaltliche Kategorien induktiv erhoben und anschließend anhand einer größeren Datenmenge gemessen werden, wird auf einer Mehrebenenanalyse von einem Tendenzframing (wertende Tendenz gegenüber der griechischen Regierung), einem AkteurInnenframing und der Erhebung der fünf Basis-Frames nach Dahinden ergänzt. Zentral für das thematische Framing ist das anschließende Auswertungsverfahren der Faktorenanalyse, mit der latente Variablen berechnet werden können, die im Wesentlichen komplexe Daten auf einfachere Strukturen reduziert.
Insgesamt wurden 30 inhaltliche Kategorien bzw. thematische Perspektiven herausgearbeitet. Diese konnten mit der Faktorenanalyse auf zwölf Frames reduziert werden. Die Ergebnisse der empirischen Analyse zeigen, dass SZ und FAZ im vorgegebenen Zeitraum durchaus sehr differenziert über die Schuldenkrise Griechenlands berichten und teils sehr konträre bzw. widersprüchliche inhaltliche Kategorien bzw. Perspektiven und Frames auftreten. Insgesamt konnte auf Basis der quantitativen Inhaltsanalyse aber offenbart werden, dass sich die Berichterstattung durch den Wahlsieg von Syriza klar verändert hat. Nach dem Wahlsieg von Syriza überwiegen insgesamt negative Kategorien und Frames und speziell die neue griechische Regierung wird häufig mit negativen Kategorien in Verbindung gebracht. Im ersten Untersuchungszeitraum kommen vergleichsweise positivere Kategorien häufiger vor und die Austeritätspolitik wird vor dem Wahlsieg vor allem als alternativlos dargestellt. Eine Erkenntnis war auch, dass die Austeritätspolitik durch den Wahlsieg durchaus auch in der Berichterstattung, vor allem politisch, etwas herausgefordert wurde. Dies zeigte sich nicht zuletzt auch daran, dass der Konflikt-Frame im zweiten Untersuchungszeitraum deutlich häufiger anzutreffen war – und der Wirtschaftlichkeits-Frame dafür deutlich seltener. Im Vergleich der beiden Zeitungen hat sich die liberalere Ausrichtung der Süddeutschen Zeitung und die konservativere Haltung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung grundsätzlich bestätigt.
Signifikante Zusammenhänge der inhaltlichen Kategorien und Frames ergaben sich nicht nur mit den Variablen Untersuchungszeitraum und Zeitung, sondern vor allem auch mit dem jeweils auftretenden Hauptakteur. Die spannendste Erkenntnis aus dem AkteurInnenframing – speziell in Bezug auf die Policy-Transfer-Forschung und die Legitimierung von politischer Herrschaft aus der Governance-Theorie – war, dass vor allem und in erster Linie die deutsche Regierung jene inhaltlichen Perspektiven und Frames transportiert und vermittelt, die der Austeritätspolitik und der Troika positiv, und Syriza bzw. der linken Politik negativ gegenüberstehen.
In Bezug auf den Framing-Ansatz generell und in Bezug auf das journalistische Framing speziell, hat sich gezeigt, dass die JournalistInnen im Kontext der Schuldenkrise Griechenlands zwar eher aktiv als „frame setter“ auftreten, dass aber dennoch vor allem die Kontextualisierung von Standpunkten von einzelnen Akteuren entscheidend ist und oft eine Mischung aus den beiden Arten des journalistischen Framings („frame setting“ und „frame sending“) vorzufinden ist.