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Title (deu)
Josef Brugger auf Kreta (1941) und sein Fotoalbum
Author
Melitta Riegler
Adviser
Konrad Köstlin
Assessor
Konrad Köstlin
Abstract (deu)
Vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit einem Fotoalbum, dessen Fotos zu einem überwiegenden Teil im Sommer 1941 mit der Tätigkeit des Besitzers bei der Truppenbetreuung auf Kreta verbunden sind. Anfang Juni 1941 hatte die Deutsche Wehrmacht Kreta durch einen Luftangriff erobert, der zur Bildung als Mythos Kreta in die NS-Propaganda einging. Bereits im Folgemonat spielte das Löwinger-Bauerntheater als erstes deutsches Theater vor Soldaten auf dieser größten griechischen Insel. Die Löwinger waren damals aufgrund ihrer jährlichen Tourneen, ihrer Rundfunkauftritte und ihrer Beteiligung am Probefernsehbetrieb in Berlin 1938 im deutschsprachigen Raum recht bekannt. Josef Brugger, der Besitzer des Albums, spielte zwischen 1930 und 1945 Hauptrollen im Löwinger-Bauerntheater, war mit der Familie Löwinger eng befreundet und darüber hinaus mit einer Schauspielerin/ Sängerin dieser Truppe verheiratet. Die Masterarbeit besteht aus drei Teilen. Teil eins beschäftigt sich mit der biografischen Recherche zum Leben Josef Bruggers; Teil zwei behandelt das Fotoalbum selbst (Anlage/Planung, Aussehen, Aufbau, Inhalt, Umgang, Überlieferung, Herkunft); Teil drei nimmt eine Analyse ausgewählter Fotografien vor. Die Fotos der großen Balkan- und Griechenlandreise (1941) wurden sowohl von Josef Brugger geknipst als auch von Schauspielerkollegen. Brugger hat wohl auch Fotos von anderen Knipsern verwendet und Profifotografien zugekauft sowie auch eine Ansichtskarte vom Verlag Horn in Gotha. Einige private Fotografien stammen von Fotoateliers in Wien, Innsbruck und Brüssel. Im Album findet sich eine Vielzahl verschiedener Fotoformate und Bildqualitäten. Das Album enthält aus dem Sommer 1941 neben auf den ersten Blick normal anmutenden Urlaubsfotos auch viele historisch interessante Bilder: interessant für die Theaterwissenschaften im deutschsprachigen Raum, interessant aber auch für die Aufarbeitung lokaler historischer Abläufe auf dem Balkan und in Griechenland um 1941/42, wie auch für die deutsche Fotogeschichte des Zweiten Weltkrieges. Brugger hat viel gesehen, Vieles davon aber vermutlich erst später besser einordnen können. Er erlebte einen Stuka-Angriff auf Kreta, kam mit lokalen Verbündeten der Deutschen Wehrmacht in Kontakt, besichtigte einen von Partisanen gesprengten Zug und stand am Straßenrand, als kriegsgefangene Maoris und Zwangsarbeiter im Ghetto von Saloniki an ihm vorbeimarschierten. Er dürfte auch mit der Bevölkerung auf dem Balkan und in Griechenland fallweise in näheren Kontakt gekommen sein wie einzelne Fotos vermuten lassen. Dabei ist wohl die organisierte Reise in Zug und Flugzeug von derjenigen im Auto und Autobus mit zwei jungen Begleitsoldaten zu unterscheiden. Märkte und Häfen zogen Brugger magisch an wie auch die Eisenbahn, Schiffe und Flugzeuge und Tiere, die für Transporte eingesetzt wurden. Fotos von Tobola und von anderen Durchgangsstationen auf der Balkan-Reise lassen vermuten, dass die Ensemblemitglieder – so gut wie alle waren vor 1918 geboren – mit einer gewissen Wehmut an die „guten alten Zeiten“ in der Donaumonarchie zurückdachten. Brugger hatte, wie die meisten anderen männlichen Ensemblemitglieder, aufgrund ihrer Geburtsjahre das Glück, nie als Soldat eingezogen worden zu sein. Bei seiner Motivauswahl war Brugger wohl durch die Arbeiten von Arthur Haberlandt, die Heeresschau „Bild und Beute" (1942) und die Bildsprache der NS-Propaganda geprägt. Als Zivilist und gut bezahlter Schauspieler im Dienste und unter dem Schutz von KdF war es ihm möglich, mitten im Krieg durch halb Europa zu reisen und an der Heimatfront ein privilegiertes Leben zu führen. Als Höhepunkt seines Lebens schien er den Flug auf die Insel Kreta anzusehen, denn großformatige Pressefotos zieren die ersten Albumseiten. Sehr oft fotografierte er das Alltagsleben der Menschen auf dem Balkan, das sich für ihn elementar vom Leben in Deutschland und Österreich im Jahr 1941 unterschied. Das mediterrane Leben im Freien sowie die Bekleidung, hier vor allem die Kopfbedeckungen, waren ihm wert, fotografiert zu werden (er selbst trug fast immer einen Hut). Ein beträchtlicher Teil der Fotos hat ethnografische Bildmotive zum Inhalt. Wie die Beschriftungen im Fotoalbum nahelegen, war Brugger zwar kein exzessiver Rassist, wertete einen Teil der Menschen auf dem Balkan aber sehr wohl ab obwohl er doch selbst aus kleinsten Verhältnissen stammte. Nach 1945 scheint sich in seinem Leben ein Wandel vollzogen zu haben. Er war nicht mehr Schauspieler, sondern übte einen bürgerlichen Beruf (Kontrollor, Wachorgan) aus und wurde zum bekennenden Kommunisten. In der Erinnerung der Familie war er ein großer Schauspieler, guter Vater, ganz sicher kein Nazi, sondern Kommunist.
Keywords (deu)
FotogeschichteTheatergeschichteÖsterreichGriechenlandBalkanZweiter Weltkrieg 1941/42
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1331013
rdau:P60550 (deu)
118 Seiten : Illustrationen, Diagramme
Number of pages
118
Members (1)
Title (deu)
Josef Brugger auf Kreta (1941) und sein Fotoalbum
Author
Melitta Riegler
Abstract (deu)
Vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit einem Fotoalbum, dessen Fotos zu einem überwiegenden Teil im Sommer 1941 mit der Tätigkeit des Besitzers bei der Truppenbetreuung auf Kreta verbunden sind. Anfang Juni 1941 hatte die Deutsche Wehrmacht Kreta durch einen Luftangriff erobert, der zur Bildung als Mythos Kreta in die NS-Propaganda einging. Bereits im Folgemonat spielte das Löwinger-Bauerntheater als erstes deutsches Theater vor Soldaten auf dieser größten griechischen Insel. Die Löwinger waren damals aufgrund ihrer jährlichen Tourneen, ihrer Rundfunkauftritte und ihrer Beteiligung am Probefernsehbetrieb in Berlin 1938 im deutschsprachigen Raum recht bekannt. Josef Brugger, der Besitzer des Albums, spielte zwischen 1930 und 1945 Hauptrollen im Löwinger-Bauerntheater, war mit der Familie Löwinger eng befreundet und darüber hinaus mit einer Schauspielerin/ Sängerin dieser Truppe verheiratet. Die Masterarbeit besteht aus drei Teilen. Teil eins beschäftigt sich mit der biografischen Recherche zum Leben Josef Bruggers; Teil zwei behandelt das Fotoalbum selbst (Anlage/Planung, Aussehen, Aufbau, Inhalt, Umgang, Überlieferung, Herkunft); Teil drei nimmt eine Analyse ausgewählter Fotografien vor. Die Fotos der großen Balkan- und Griechenlandreise (1941) wurden sowohl von Josef Brugger geknipst als auch von Schauspielerkollegen. Brugger hat wohl auch Fotos von anderen Knipsern verwendet und Profifotografien zugekauft sowie auch eine Ansichtskarte vom Verlag Horn in Gotha. Einige private Fotografien stammen von Fotoateliers in Wien, Innsbruck und Brüssel. Im Album findet sich eine Vielzahl verschiedener Fotoformate und Bildqualitäten. Das Album enthält aus dem Sommer 1941 neben auf den ersten Blick normal anmutenden Urlaubsfotos auch viele historisch interessante Bilder: interessant für die Theaterwissenschaften im deutschsprachigen Raum, interessant aber auch für die Aufarbeitung lokaler historischer Abläufe auf dem Balkan und in Griechenland um 1941/42, wie auch für die deutsche Fotogeschichte des Zweiten Weltkrieges. Brugger hat viel gesehen, Vieles davon aber vermutlich erst später besser einordnen können. Er erlebte einen Stuka-Angriff auf Kreta, kam mit lokalen Verbündeten der Deutschen Wehrmacht in Kontakt, besichtigte einen von Partisanen gesprengten Zug und stand am Straßenrand, als kriegsgefangene Maoris und Zwangsarbeiter im Ghetto von Saloniki an ihm vorbeimarschierten. Er dürfte auch mit der Bevölkerung auf dem Balkan und in Griechenland fallweise in näheren Kontakt gekommen sein wie einzelne Fotos vermuten lassen. Dabei ist wohl die organisierte Reise in Zug und Flugzeug von derjenigen im Auto und Autobus mit zwei jungen Begleitsoldaten zu unterscheiden. Märkte und Häfen zogen Brugger magisch an wie auch die Eisenbahn, Schiffe und Flugzeuge und Tiere, die für Transporte eingesetzt wurden. Fotos von Tobola und von anderen Durchgangsstationen auf der Balkan-Reise lassen vermuten, dass die Ensemblemitglieder – so gut wie alle waren vor 1918 geboren – mit einer gewissen Wehmut an die „guten alten Zeiten“ in der Donaumonarchie zurückdachten. Brugger hatte, wie die meisten anderen männlichen Ensemblemitglieder, aufgrund ihrer Geburtsjahre das Glück, nie als Soldat eingezogen worden zu sein. Bei seiner Motivauswahl war Brugger wohl durch die Arbeiten von Arthur Haberlandt, die Heeresschau „Bild und Beute" (1942) und die Bildsprache der NS-Propaganda geprägt. Als Zivilist und gut bezahlter Schauspieler im Dienste und unter dem Schutz von KdF war es ihm möglich, mitten im Krieg durch halb Europa zu reisen und an der Heimatfront ein privilegiertes Leben zu führen. Als Höhepunkt seines Lebens schien er den Flug auf die Insel Kreta anzusehen, denn großformatige Pressefotos zieren die ersten Albumseiten. Sehr oft fotografierte er das Alltagsleben der Menschen auf dem Balkan, das sich für ihn elementar vom Leben in Deutschland und Österreich im Jahr 1941 unterschied. Das mediterrane Leben im Freien sowie die Bekleidung, hier vor allem die Kopfbedeckungen, waren ihm wert, fotografiert zu werden (er selbst trug fast immer einen Hut). Ein beträchtlicher Teil der Fotos hat ethnografische Bildmotive zum Inhalt. Wie die Beschriftungen im Fotoalbum nahelegen, war Brugger zwar kein exzessiver Rassist, wertete einen Teil der Menschen auf dem Balkan aber sehr wohl ab obwohl er doch selbst aus kleinsten Verhältnissen stammte. Nach 1945 scheint sich in seinem Leben ein Wandel vollzogen zu haben. Er war nicht mehr Schauspieler, sondern übte einen bürgerlichen Beruf (Kontrollor, Wachorgan) aus und wurde zum bekennenden Kommunisten. In der Erinnerung der Familie war er ein großer Schauspieler, guter Vater, ganz sicher kein Nazi, sondern Kommunist.
Keywords (deu)
FotogeschichteTheatergeschichteÖsterreichGriechenlandBalkanZweiter Weltkrieg 1941/42
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1331014
Number of pages
118