Title (deu)
Der Toleranzdiskurs in der Historiographie über das Osmanische Reich und über Polen-Litauen im 16. Jahrhundert
Author
Christoph Kirner
Advisor
Alojz Ivanišević
Assessor
Alojz Ivanišević
Abstract (deu)
In der modernen Historiographie über das Osmanische Reich und in jener über Polen-Litauen wird, wenn vom 16. Jahrhundert die Rede ist, oft von einem sogenannten „Goldenen Zeitalter“ geschrieben. Dieser Ausdruck wird mit machtpolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen Besonderheiten in diesem Jahrhundert in diesen beiden Reichen begründet und, nicht zuletzt, mit der praktizierten Toleranz anderen Religionen oder Konfessionen gegenüber. Belege hierfür sollen die Warschauer Konföderation in Polen-Litauen und das millet-System im Osmanischen Reich Beweise liefern, die aber in der Fachliteratur mal gelobt, mal kritisiert werden. In dieser Arbeit wurde deshalb, nach Erforschung der Geschichte des Toleranzbegriffs im Allgemeinen und einleitenden Erläuterungen zur politischen Geschichte der beiden Reiche im 16. Jahrhundert, mithilfe der Methode der historischen Diskursanalyse die moderne deutsch- und englischsprachige Historiographie seit den 1970er Jahren hinsichtlich des jeweils verwendeten Toleranzbegriffs durchleuchtet. Dabei lag der Fokus auch auf der Diskussion, ob überhaupt von Toleranz im Osmanischen Reich respektive im Polen-Litauen des 16. Jahrhunderts gesprochen werden könne, beziehungsweise wie sich diese jeweils manifestierte. Dabei ließ sich feststellen, dass die Faktenlage von den Fachleuten, gerade das Osmanische Reich betreffend, teilweise konträr interpretiert wird. Manche Missstände werden von islamfreundlichen Fachleuten als ungünstige Nebenerscheinung eines grundsätzlich toleranten Systems gesehen und von kritischen als eine vom Sultan bewusst geplante Zersetzungsmaßnahme der nichtmuslimischen Glaubensgemeinschaften interpretiert. Von jenen wird der Begriff Toleranz häufig gebraucht und seine Besonderheit in der frühneuzeitlichen Welt hervorgehoben und von diesen wird er als im Osmanischen Reich nicht existent verworfen und mit detaillierten Beschreibungen des Leidens der Nichtmuslime illustriert. Derart gegensätzliche Forschungsmeinungen fanden sich im Toleranzdiskurs über Polen-Litauen zwar nicht, doch auch dort führten religiöse Differenzen zu vielerlei Konflikten und stellten darum eine Gefahr für die Stabilität der Herrschaft dar. Vor allem dort, wo es bereits soziale, wirtschaftliche oder politische Gegensätze gab, konnte ein religiöser Konflikt rasch zum Kristallisationspunkt für eine antagonistische Gruppenbildung werden, wie das im konfessionellen Zeitalter auch im übrigen Europa häufig der Fall war. Der Adelsstand genoss dabei durchaus das Privileg der freien Religionswahl, was den Bauern nicht vergönnt war – ein Umstand den die Fachleute stets als faktische Beschränkung des Toleranzgedankens nennen. Es ging dabei weniger um die Idee der Toleranz als um die verfahrensmäßig abgesicherten Vorgänge, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gewährleisteten oder politische Herrschaft sicherten und dabei weder Eindeutigkeit noch Konsens in religiös-konfessionellen Angelegenheiten zwingend voraussetzten. Scheinbar hat gerade diese Ambivalenz in der Gesetzgebung der frühneuzeitlichen Reiche eine Vielfalt an Abstufungen in der alltäglichen Praxis der Menschen ermöglicht, welche die Geschichtsschreibung bis heute bewegt und sie diskursanalytisch so interessant macht.
Keywords (deu)
ToleranzHistorische DiskursanalyseOsmanisches ReichPolen-Litauen16. Jahrhundert
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Extent (deu)
105 Seiten
Number of pages
107
Study plan
Lehramtsstudium UF Deutsch UF Geschichte, Sozialkunde, Polit.Bildg.
[UA]
[190]
[333]
[313]
Members (1)
Title (deu)
Der Toleranzdiskurs in der Historiographie über das Osmanische Reich und über Polen-Litauen im 16. Jahrhundert
Author
Christoph Kirner
Abstract (deu)
In der modernen Historiographie über das Osmanische Reich und in jener über Polen-Litauen wird, wenn vom 16. Jahrhundert die Rede ist, oft von einem sogenannten „Goldenen Zeitalter“ geschrieben. Dieser Ausdruck wird mit machtpolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen Besonderheiten in diesem Jahrhundert in diesen beiden Reichen begründet und, nicht zuletzt, mit der praktizierten Toleranz anderen Religionen oder Konfessionen gegenüber. Belege hierfür sollen die Warschauer Konföderation in Polen-Litauen und das millet-System im Osmanischen Reich Beweise liefern, die aber in der Fachliteratur mal gelobt, mal kritisiert werden. In dieser Arbeit wurde deshalb, nach Erforschung der Geschichte des Toleranzbegriffs im Allgemeinen und einleitenden Erläuterungen zur politischen Geschichte der beiden Reiche im 16. Jahrhundert, mithilfe der Methode der historischen Diskursanalyse die moderne deutsch- und englischsprachige Historiographie seit den 1970er Jahren hinsichtlich des jeweils verwendeten Toleranzbegriffs durchleuchtet. Dabei lag der Fokus auch auf der Diskussion, ob überhaupt von Toleranz im Osmanischen Reich respektive im Polen-Litauen des 16. Jahrhunderts gesprochen werden könne, beziehungsweise wie sich diese jeweils manifestierte. Dabei ließ sich feststellen, dass die Faktenlage von den Fachleuten, gerade das Osmanische Reich betreffend, teilweise konträr interpretiert wird. Manche Missstände werden von islamfreundlichen Fachleuten als ungünstige Nebenerscheinung eines grundsätzlich toleranten Systems gesehen und von kritischen als eine vom Sultan bewusst geplante Zersetzungsmaßnahme der nichtmuslimischen Glaubensgemeinschaften interpretiert. Von jenen wird der Begriff Toleranz häufig gebraucht und seine Besonderheit in der frühneuzeitlichen Welt hervorgehoben und von diesen wird er als im Osmanischen Reich nicht existent verworfen und mit detaillierten Beschreibungen des Leidens der Nichtmuslime illustriert. Derart gegensätzliche Forschungsmeinungen fanden sich im Toleranzdiskurs über Polen-Litauen zwar nicht, doch auch dort führten religiöse Differenzen zu vielerlei Konflikten und stellten darum eine Gefahr für die Stabilität der Herrschaft dar. Vor allem dort, wo es bereits soziale, wirtschaftliche oder politische Gegensätze gab, konnte ein religiöser Konflikt rasch zum Kristallisationspunkt für eine antagonistische Gruppenbildung werden, wie das im konfessionellen Zeitalter auch im übrigen Europa häufig der Fall war. Der Adelsstand genoss dabei durchaus das Privileg der freien Religionswahl, was den Bauern nicht vergönnt war – ein Umstand den die Fachleute stets als faktische Beschränkung des Toleranzgedankens nennen. Es ging dabei weniger um die Idee der Toleranz als um die verfahrensmäßig abgesicherten Vorgänge, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gewährleisteten oder politische Herrschaft sicherten und dabei weder Eindeutigkeit noch Konsens in religiös-konfessionellen Angelegenheiten zwingend voraussetzten. Scheinbar hat gerade diese Ambivalenz in der Gesetzgebung der frühneuzeitlichen Reiche eine Vielfalt an Abstufungen in der alltäglichen Praxis der Menschen ermöglicht, welche die Geschichtsschreibung bis heute bewegt und sie diskursanalytisch so interessant macht.
Keywords (deu)
ToleranzHistorische DiskursanalyseOsmanisches ReichPolen-Litauen16. Jahrhundert
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Number of pages
107