Abstract (deu)
Die Arbeit behandelt Dichterzitate beim Stoiker Chrysipp von Soloi (3. Jh. v. Chr.). Dessen umfangreiches Schriftkorpus ist nicht erhalten, es sagen ihm aber bereits antike Quellen ein besonders enges Verhältnis zur Dichtung nach: Chrysipp soll in seinen philosophischen Abhandlungen häufig und in großem Umfang aus der altgriechischen Dichtung (vor allem aus Homer, Hesiod und Euripides) zitiert haben, um die eigenen Standpunkte zu untermauern. Zwar lässt sich das am fragmentarischen Textmaterial heute nur noch schwer in einem
größeren Rahmen nachprüfen, die Problematik kann aber anhand eines überlieferten Einzelfalls näher untersucht werden: Der Mediziner und Philosoph Galen von Pergamon (2. Jh. n. Chr.) berichtet von einem Zitat Chrysipps aus der „Medea“ des Euripides, das Galens eigener Ansicht nach mit einer stoischen Weltsicht, wie Chrysipp sie vertritt, nicht vereinbar und deshalb unpassend gewählt sei. Die Arbeit verfolgt das Ziel, der Problematik einer möglichen Unvereinbarkeit
zwischen dem „Medea“-Zitat und Chrysipps Philosophie mit philologischen Mitteln nachzugehen und aus dem Galen-Text ein ursprüngliches Verständnis Chrysipps herauszuarbeiten. Das „Medea“-Zitat soll in der Argumentationslinie Chrysipps verortet und neu interpretiert werden. Ausgehend davon sollen weitere Dichterzitate Chrysipps, die im Kontext mit dem „Medea“-Zitat stehen, interpretiert und vor dem Hintergrund der Ansichten Chrysipps von der Dichtung als Mittel der Argumentation betrachtet werden. Besonderes Interesse gilt dabei dem Gewicht der Dichterzitate innerhalb der Argumentation Chrysipps sowie Fragen nach einer Zitattechnik. Ein Ausblick auf weitere „Medea“-Interpretationen bei späteren griechischsprachigen Philosophen fragt abschließend nach dem Fortwirken von Deutungstraditionen und stellt einen weiteren Kontrast zum Verständnis Chrysipps her.