Abstract (deu)
Die Dissertation beschäftigt sich exemplarisch mit den individuellen, politischen Beteiligungs- und Politisierungsprozesse von Bürgern mit ex-jugoslawischer Abstammung der „Zweiten Generation“ in Österreich. Zur „Zweiten Generation“ werden nicht nur jene Personen gezählt, deren Eltern im Zuge der Gastarbeitermigration nach Österreich gekommen sind, sondern auch jene, die alleine oder mit den Eltern in den 1990er Jahren als Kriegsflüchtlinge migrierten. Relevant dabei ist, dass sie zum Zeitpunkt der Flucht bzw. Einwanderung noch Kinder oder Jugendliche waren, und dadurch in Österreich aufgewachsen und (teil-)sozialisiert wurden. Bewusst wurde deshalb auch auf die ethnisch-semantische Differenzierung verzichtet und der Begriff „ex-jugoslawische/r Bürger/in“ verwendet. Die Frage nach dem Herkunftsland dient nur der geographischen Verortung und zur Unterscheidung der herkunftslandspezifischen Kontexte, die unter anderem die innenpolitischen Entwicklungen der Herkunftsgesellschaften erklären sollen. Eine zentrale Annahme der Dissertation ist, dass der vorpolitische Bereich, die individuelle Migrationsbiographie und die transnationalen Verbindungen zwischen der Herkunfts- und der Aufnahmegesellschaft sowohl das Verhältnis der untersuchten Personengruppe zu Demokratie und Gesellschaft in Österreich prägen, als auch deren politische Beteiligung in hohem Maße beeinflussen. Diese Faktoren sind bisher unzureichend im Blick der Migrations- und Partizipationsforschung gestanden. Dabei können die bezeichneten Faktoren auf das politische Verhalten sowohl positiver als auch negativer Art sein. Zudem wird Zuwanderern oftmals fälschlicherweise ein „Zugehörigkeitsdilemma“ zugeschrieben, verbunden mit der impliziten Annahme, sie müssen sich entweder für oder gegen die Herkunftsgesellschaft entscheiden. Transnationale Entwicklungen zeigen jedoch, dass sich politisches Interesse und demokratische Teilhabe nicht mehr in ein oder zwischen zwei Gesellschaften manifestieren, sondern in neuen, sozialen Lebenswelten, die viel dynamischer und teils auch widersprüchlicher sind als ursprünglich angenommen. Das gilt insbesondere für die ex-jugoslawischen Bürger_innen in Österreich, die durch die geographische Nähe der Herkunftsländer besonders intensiven Einflüssen beider Gesellschaften ausgesetzt sind. Dies kann zu gemischten Formen und gemischter Partizipation von politischer und sozialer Teilhabe führen, was sich auch in den durchgeführten, problemzentrierten Interviews mit narrativen Elementen zeigt.