Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, das Konzept der Proto-Utopie als innovativen theoretischen Rahmen zu entwickeln, um damit drei abstrakte Paradigmata, das Goldene Zeitalter, Arkadien und die Kosmopolis, in ihren epikureischen und stoischen Ausprägungen in der römischen Literatur zu untersuchen. Da der Begriff Proto-Utopie eine Wortneuschöpfung ist, soll er in zweifacher Hinsicht umrissen werden: auf Basis der bestehenden Forschungs-literatur zur Utopie sowie in Abgrenzung zu verwandten Konzepten, dem Mythos und der Ideologie. Der theoretische Teil dieser Arbeit nimmt eine Reevaluierung der etymologischen Dichotomie im Hinblick auf den Terminus Utopie vor: Handelt es sich um einen ‚nicht-existenten’ oder einen ‚guten’ Ort (οὐ-/εὐ-τόπος)? Daran knüpft ein Abriss der genrebezogenen, funktionalen und inhaltlichen Dimension der Proto-Utopie und inwiefern diese drei Parameter in ausgewählten Schriften von Cicero, Lukrez, Vergil, Horaz, Seneca, Mark Aurel und Epiktet zur Geltung kommen. Die Methodologie, die im Hauptteil Anwendung findet, umfasst Close-Reading-Strategien, vergleichende bzw. kontrastierende Analysen sowie Verweise auf Intertextualitäten in den ausgewählten lateinischen und griechischen Quelltexten, welche sich mit dem Goldenen Zeitalter, Arkadien und der Kosmopolis befassen. Ihr proto-utopisches Potenzial entfalten diese drei Paradigmata dadurch, dass sie fiktive sowie idealisierte Räume erschaffen und Probleme der zeitgenössischen Gegenwart aussparen. Diese strukturelle Vorgehensweise verfolgt zwei Intentionen: Einerseits dient sie als Sittenspiegel und lenkt die Aufmerksamkeit der Leser auf aktuelle sozio-politische Krisenherde durch deren Auslassung in der alternativen Welt; andererseits wird die logische Operation der Negation verwendet, um eine Leerstelle zu schaffen, die mit wiederkehrenden philosophischen Werten gefüllt wird, welche eine zentrale Rolle im Epikureismus und der Stoa spielen.