Abstract (deu)
Die österreichische Landwirtschaft steht im 19. Jahrhundert vor der Herausforderung, Nahrung für eine wachsende, zunehmend urbane Bevölkerung zu produzieren, obwohl neue, kohlebasierte Technologien noch kaum Einzug in die landwirtschaftliche Produktion halten. Der Prozess hin zu einer Landwirtschaft, die neben den vor Ort vorhandenen Rohstoffen auch auf solche zurückgreift, die dem Industriekreislauf, sowie fossilen Ressourcen entnommen sind, wird von einem Wissenstransfer begleitet. Bisherige Studien in diesem Bereich legten ihr Augenmerk auf die Geschichte der Agrarwissenschaft, über den Diskurs zwischen den Akteuren der agrarischen Praxis ist jedoch verhältnismäßig wenig bekannt. Die vorliegende Studie versucht diese Lücke zu schließen. Mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse wird der Wissenstransfer über den Gebrauch von Düngemitteln anhand der Zeitschrift der oberösterreichischen Landwirtschaftsgesellschaft zwischen 1858 und 1908 analysiert. Dabei wird zwischen Dünger, der innerhalb des agrarischen Kreislaufs anfällt und Dünger, der dem industriellen Kreislauf oder fossilen Depots entnommen wird, unterschieden. Die Ergebnisse zeigen, dass beide bis in die 1890er-Jahre etwa gleich oft empfohlen werden. Dies ändert sich jedoch, als mit Thomasmehl und Kainit zwei Substanzen verfügbar werden, die den Bedarf an Phosphor und Kalium kostengünstig abdecken können. Diese Kombination wird anschließend als vollkommener Dünger stilisiert und jener Dünger, der am Hof produziert wurde, gerät ins Hintertreffen. Zugleich verändert sich, wie über Böden und Dünger gesprochen wird: das Düngewissen, das zunächst in der Wissenschaft verortet wird, verliert den akademischen Charakter, gleichzeitig werden die Mengenangaben genauer und die Sicht auf Böden und die darin enthaltenen Nährstoffe rationaler.