Abstract (deu)
Diese Arbeit untersucht Benjamins Geschichtsbegriff anhand der Thesen Über den Begriff der Geschichte und dem Passagen-Werk. Diesen Geschichtsbegriff entwickelt die Arbeit in Auseinandersetzung mit dem Verständnis des Mythos in Benjamins frühen Schriften. Im Zentrum steht eine religionsphilosophische Interpretation von Benjamins Konzept der Jetztzeit im Spannungsgefüge zwischen Mythos und jüdisch-christlichem Messianismus. Geschichte wird dabei nicht in einer unreflektierten Bedeutung vorausgesetzt, sondern muss erst durch eine grundlegende Philosophie der Zeit in Hinblick auf die Geschichtlichkeit von Zeit gewonnen werden. Eine Öffnung des Mythos zur Geschichte ergibt sich dabei nur in einer Perspektive auf die Verletzbarkeit des Menschen, die die messianische Dimension derselben zu erfassen vermag. An zentraler Stelle in Benjamins Geschichtsphilosophie steht die Verletzbarkeit der Toten, welche Geschichte an der Schwelle zum Messianischen erst zu denken erlaubt. Die Geschichte erweist sich dabei als der öffnende Spalt zwischen Mythos und Messianischem, der die Nivellierungen der Zeit in einer mythischen bzw. mythisch-messianischen, jeweils inhumanen, Zeitlosigkeit verhindert. Allerdings muss sich die Arbeit zunächst der Frage einer noch möglichen Erfahrung von Geschichtlichkeit angesichts der leeren, homogenen Zeit stellen. Das Ziel der Arbeit ist es, mit Benjamin eine Antwort auf die Krise des Geschichtsbewusstseins in der leeren Zeit, die zum Verlust jedes freien Umgangs mit Vergangenheit geführt hat, zu geben. Die Hypothese lautet, dass Benjamins Geschichtsphilosophie eine nicht-chronologische Erfahrung von Anfang und Ende, d. h. Eröffnung und Entzug der Zeit ermöglicht und somit die menschliche Zeiterfahrung zu retten vermag. Benjamins Konzept der Jetztzeit kann als Herzstück einer neuen humanen Zeit betrachtet werden, die um den Begriff des Glücks kreist und sowohl einen menschlichen Blick auf die Zeit als auch eine ethische Praxis der Treue begründet.