Abstract (deu)
Gegenstand meiner Dissertation sind überwiegend österreichische und in Österreich eingesetzte Werbe- und Industriefilme aus der Zeit zwischen 1915 und 1965, die ich aus der Perspektive einer kulturwissenschaftlich konturierten Filmwissenschaft untersuche. Als historische und theoretische Leitbegriffe dienen dabei Rationalisierung und Kontingenz – zwei Konzepte, deren Spannungen und Verschränkungen Entscheidendes an der industriellen Moderne des 19. und 20. Jahrhunderts erfassen. Zuletzt hat die Filmwissenschaftlerin Mary Ann Doane dafür plädiert, Film als eine von mehreren Repräsentationstechnologien und Wissensformen zu begreifen, die seit Ende des 19. Jahrhunderts zur Standardisierung und Rationalisierung von Zeit im Zusammenhang kapitalistischer Modernisierung beitragen – aber auch eigenwillig auf diese reagieren: Einerseits arbeitet Film der Teilbarkeit von Zeit in diskrete Einzelmomente zu, andererseits erfasst er in besonderer Weise Aspekte von Kontingenz, Zufall und Flüchtigkeit.
Für eine Auseinandersetzung mit Industrie- und Werbefilme ist diese Heuristik höchst produktiv: Als Gebrauchsfilme in wirtschaftlichen Zusammenhängen sind sie durch ihre Aufgaben hochgradig determiniert. Dennoch ist Kontingenz in die Bilder und Töne von Werbe- und Industriefilmen eingelassen: in Fehlleistungen, Uneindeutigkeiten und Momenten des Nicht-Funktionalen, vor allem aber auch als bewusste Bewirtschaftung des Filmbilds in seinen Potentialen zu Fülle, Flüchtigkeit und prekärer Lesbarkeit.
Die dominante Methode ist die des Close Readings einzelner Filme und Filmgruppen in ihrem historischen Funktionszusammenhang und ihrer formästhetischen Spezifik. Die Filme sind nach thematischen Schwerpunkten zueinander angeordnet – Formen, Messen und Prüfen, Planen, Sammeln und Ordnen –, die auf eine Vermittlung zwischen unternehmerischer Funktion und formaler Eigendynamik abzielen.