Abstract (deu)
Heutzutage stellt die deutsche Sprache im Fremdsprachenunterricht und -lernen eine typische Tertiärsprache dar. Sprachwissen, das sich Lernende zuvor angeeignet haben, beeinflusst dadurch den Erwerbsprozess des Deutschen als Zielsprache ebenso wie seine mentale Repräsentation. Dieser interlinguale Einfluss wird auch als Transfer gefasst und im Englischen vor allem mit cross-linguistic influence (CLI) bezeichnet. Im Rahmen der Tertiärsprachenerwerbsforschung nimmt die Erforschung von interlingualem Einfluss oder allgemeiner formuliert von Transfermechanismen eine vorherrschende Position ein, nicht zuletzt dadurch, dass mehrsprachige Individuen in ihrem Erwerbsprozess stark von ihrem sprachlichen Vorwissen beeinflusst werden. Bisher liegt in der Transferforschung ein deutlicher Fokus auf Untersuchungen zu lexikalischem Transfer, Einfluss auf (morpho-)syntaktischer Ebene wurde hingegen noch nicht so intensiv untersucht. In den letzten fünfzehn Jahren wurden jedoch einige Theorien zu syntaktischem Transfer entwickelt, darunter das Modell der kumulativen Verbesserung (Cumulative Enhancement Model – CEM) (Flynn et al. 2004), das Modell der typologischen Ähnlichkeit (Typological Primacy Model – TPM) (Rothman 2010; Rothman/Cabrelli Amaro 2011) sowie der L2-Status-Faktor (Bardel/Falk 2007; Falk/Bardel 2011). Die meisten Untersuchungen zu syntaktischem Transfer dienten in der Folge dazu, die einzelnen Modelle bzw. Theorien zu bestätigen oder aber zu widerlegen. Dabei wurden einerseits diverse Methoden angewandt und andererseits unterschiedliche Sprachkonstellationen untersucht, um vor allem der Frage nachzugehen, aus welchen Sprachen der Lernenden bevorzugt transferiert wird und welche Faktoren diese (unbewusste) Wahl beeinflussen.
In dieser Masterarbeit liegt der Fokus auf syntaktischem Transfer beim Erwerb der Position von Objektpronomen im Deutschen als L3. Dazu wurde eine Erhebung mit Studierenden an drei unterschiedlichen Standorten durchgeführt. Gruppe 1 bestand aus Studierenden der Ovidius Universität in Konstanza (Rumänien). Sie waren in der Zielsprache Deutsch mäßig fortgeschritten (B1-Niveau) und sprachen als Erstsprache Rumänisch und als erste Fremdsprache zu einem Großteil Englisch (der Rest hatte als erste Fremdsprache Französisch und danach Deutsch oder Englisch gelernt). In Gruppe 2, die Studierende der Universität Bukarest (Rumänien) bildeten, zeigte sich ein ähnliches Bild hinsichtlich der Sprachkonstellation, die Studierenden hatten jedoch in der Zielsprache Deutsch ein wesentlich höheres Niveau (B2/C1-Niveau). Gruppe 3 wies ein ebenso hohes Niveau im Deutschen auf wie Gruppe 2, setzte sich aber aus Studierenden der Universität Oxford (England) zusammen, die dementsprechend Englisch als L1 und Französisch als L2 sprachen. Für die Untersuchung wurde eine Grammatikalitätseinschätzungs- und -korrekturaufgabe erstellt, die die Studierenden unter Zeitdruck gemeinsam mit einem Fragebogen zu ihren Sprachprofilen und ihren Test- und Unterrichtserfahrungen bearbeiten mussten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Lernende auf einem niedrigeren Zielsprachenniveau mit L1 Rumänisch bevorzugt aus ihrer L2 Englisch transferieren, die in diesem Fall auch die (psycho-)typologisch nähere Sprache zum Deutschen darstellt. Der Einfluss äußert sich dabei vor allem in der Beurteilung von ungrammatischen Sätzen, die der englischen Wortstellung entsprechen. Zwischen den beiden fortgeschrittenen Gruppen konnte im Gesamtergebnis kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. In beiden Gruppen zeigt sich jedoch eine Tendenz dafür, grammatische Sätze, die in ihrer Struktur der eigenen Erstsprache ähneln, eher als falsch zu klassifizieren als andere Satzkategorien. Während also in Gruppe 1 vor allem ungrammatische Sätze und ihre Korrektur den Studierenden Schwierigkeiten bereiten, äußern sich in Gruppe 2 und 3 Unsicherheiten in der Beurteilung von grammatisch korrekten Sätzen.
Im Vergleich zu anderen ähnlichen Studien sowie in Anlehnung an unterschiedliche theoretische Konzepte kann angesichts der Untersuchungsergebnisse keine der Theorien zum syntaktischen Transfer vollständig bekräftigt oder aber auch widerlegt werden. Das Englische scheint eine herausragende Rolle für den Transfer zu spielen, was aber sowohl durch den L2-Status als auch durch (psycho-)typologische Ähnlichkeit erklärt werden kann. Mangels einer Kontrollgruppe auf niedrigerem Sprachniveau mit Englisch als L1 können keine endgültigen Schlüsse bezüglich dieser beiden zentralen Faktoren für den Ursprung von Sprachtransfer gezogen werden. Dennoch ermöglicht diese Studie einen tieferen Einblick in die Erwerbsprozesse von mehrsprachigen Individuen und öffnet Raum für weitere Diskussion und fortführende Untersuchungen zu syntaktischem Transfer sowie zu Tertiärsprachenerwerb allgemein.