Abstract (deu)
Die Dissertation behandelt über einen Zeitraum von rund hundert Jahren (beginnend mit der Ersten Teilung Polens 1772) Genese, Funktion und Wahrnehmung der Grenze zwischen dem österreichischem Kronland Galizien sowie den polnischen (später russländischen) Verwaltungseinheiten Wolhynien und Podolien. Die in drei Kapitel Abgrenzen, Bewahren und Überwinden gegliederten Fragestellungen richten sich zum einen auf alltäglich auftretende Phänomene im Umgang mit der politischen Trennlinie, zum anderen auf die Ebene der Wahrnehmung und der Selbst- und Fremdbilder. Die Studie verfolgt einen mikrohistorischen Ansatz und versucht dabei, die Erkenntnisse im „Kleinen“ soweit als möglich in größere Strukturen einzubetten. Neben dem eng gefassten, linearen Grenzbegriff, der den Ausgangspunkt der Studie darstellt, spielt themenbezogen auch die Dimension des Grenzraums eine Rolle. In Summe konnte hinsichtlich der Genese der Grenze ein hoher Grad an Verwobenheit von Mikro- und Makroebene gezeigt werden, und zwar konkret anhand der Inspektionsreise Kaiser Josephs II. im Jahr 1773. Die Folgen der Grenzziehung zeigen ein breites Spektrum an trennenden und verbindenden Elementen im Bereich Wirtschaft, Gesellschaftsleben und Religion. So erfuhr der mit ernsthaften Problemen konfrontierte Transithandel durch die Schaffung der Freihandelszone Brody neue, transnationale Perspektiven. Enge Kooperation zwischen Ukrainern, Juden und Polen zu beiden Seiten waren auch im Bereich des Schmuggels und der Schlepperei keine Seltenheit. Die untersuchte Grenze erwies sich aufgrund ihres langen Bestehens als prägend für Mentalitäten. Auswirkungen davon sind bis heute in der Westukraine spürbar, so etwa in Bezug auf die Konkurrenz der christlichen Konfessionen, die eine lange Vorgeschichte hat.