Abstract (deu)
Eine der Ursachen für die weltweite Unterernährung ist die Verschwendung intakter
Lebensmittel. Ein Grund, der zu Lebensmittelabfall führt, ist unter anderem das
Mindesthaltbarkeitsdatum, das vom Konsumenten oft falsch verstanden wird als Datum,
zu dem das Produkt nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. In der vorliegenden Arbeit
wurde versucht, die starke Wirkung des Mindesthaltbarkeitsdatums auf den
Konsumenten zu schwächen.
Das dazu verwendete Instrument ist nudging, eine Marketingstrategie, die den
Konsumenten bzw. die Konsumentin beeinflussen soll, ohne dessen/deren
Wahlmöglichkeiten einzuschränken. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet nudging
schubsen, anstupsen oder anstoßen. Die verschiedenen Mechanismen, auf denen
nudging basiert, sind im Paper MINDSPACE von Dolan et al. (2012) zusammengefasst.
Diese Arbeit bildet die Grundlage für die Planung des vorliegenden Projektes. In meiner
Masterarbeit kommen die MINDSPACE Mechanismen Salience (Auffälligkeit), Norms
(soziale Normen), Messenger (Wer sendet die Botschaft?) und Priming (Beeinflussung
im Vorhinein) zur Anwendung. Dazu wurde ein Online-Fragebogen erstellt mit dem Bild
eines Jogurtbechers, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten war. Die
Teilnehmer_innen sahen entweder einen Jogurtbecher mit einer nudge-Botschaft vor
sich, oder mit leerer Oberfläche, wenn es sich um die Kontrollgruppe handelte. Nun
wurde die Akzeptanz des Jogurts erhoben anhand von Fragen zur Bereitschaft zum
Verzehr, zum Anbieten an Gäste sowie zu sensorischen Attributen wie Einschätzung
des Geruchs, des Geschmacks und der Sicherheit des Produkts. Weiters wurden Fragen
gestellt zu persönlichen Gründen, Lebensmittel wegzuwerfen, zum Wissen über die
Definition des Mindesthaltbarkeitsdatums und zu persönlichen Einstellungen und Werten
in Bezug auf Lebensmittelabfall und Nachhaltigkeit (Food Waste Beliefs).
Die nudge-Gruppen zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe keine gesteigerte
Akzeptanz des Jogurts (hypothetischer Verzehr Kontrollgruppe: 96.5%; nudging Gruppe
“98% der Österreicher”: 95.7%; nudging Gruppe “Hygieneexperte”: 88.6%; nudging
Gruppe “Reifer ist besser”: 87.9%; nudging Gruppe “Priming”: 90.1%). Im Gegenteil war
eher ein umgekehrter Trend zu beobachten. So schätzten die Teilnehmer_innen in der
nudging Gruppe „Hygieneexperte“, die dem MINDSPACE Mechanismus „messenger“
zugeordnet ist, dass sie das Jogurt weniger mögen würden, als jene der Kontrollgruppe
(Einschätzung Geschmack: Skala von 1 überhaupt nicht – 7 sehr gut; nudging Gruppe
„Hygieneexperte“ Median 5, Kontrollgruppe Median 6).
91.8% der Befragten geben an, dass das Jogurt noch zum Verzehr geeignet sei.
Allerdings würde nur rund die Hälfte (46.3%) das Produkt auch Gästen anbieten. Die
nudging Botschaften änderten jedenfalls nichts an der Bereitschaft, das Jogurt auch
Gästen anzubieten (Bereitschaft, das Jogurt Gästen anzubieten Kontrollgruppe: 45.9%;
nudging Gruppe “98% der Österreicher”: 46.8%; nudging Gruppe “Hygieneexperte”:
44.3%; nudging Gruppe “Reifer ist besser”: 47.3%; nudging Gruppe “Priming”: 47.3%).
Ein Großteil der Teilnehmer_innen – 63.3 % – gibt an, weniger als der durchschnittliche
Bürger an Lebensmittelabfall zu produzieren. 75.3% wählen die richtige Definition des
Mindesthaltbarkeitsdatums aus. Ebenfalls ist die Zustimmung zu den Food Waste
Beliefs generell hoch (Modus Kategorie 4 oder 5 auf einer Skala von 1 keine Zustimmung
– 5 volle Zustimmung). Am skeptischsten zeigten sich die Teilnehmer beim Food Waste
Belief „Ich glaube, wenn ich mich bemühe, Lebensmittelabfälle zu reduzieren, kann dies
den Welthunger mindern“ (Modus Kategorie 3). Frauen zeigen eine teilweise höhere
Zustimmung zu den Food Waste Beliefs als Männer. So fühlen sie sich beispielsweise
schlechter, wenn sie Lebensmittel entsorgen.
Eine Vermutung für die geringe Reaktion auf die Nudges ist, dass diese zu offensichtlich
gewählt waren. Die Teilnehmer waren eventuell verwirrt davon oder ließen sich einfach
nicht beeindrucken. Eventuell waren die Befragten auch schon sensibilisiert auf die
Themen Nachhaltigkeit und Lebensmittelabfall und beantworteten den Fragebogen
dementsprechend, indem sie eine höhere Akzeptanz für das Produkt angaben. Das
Design der Nudges müsste folglich hinsichtlich der Zielgruppe überarbeitet werden, um
auf deren Informationsstand einzugehen und so eine tatsächliche Steigerung der
Akzeptanz zu erreichen.
In einem weiteren Schritt empfiehlt sich eine tatsächliche Verkostung von Jogurts mit
Nudges und einer Kontrollgruppe im sensorischen Labor. Dadurch könnten
aussagekräftigere Ergebnisse erzielt werden, als wenn die Attribute von den
Teilnehmern, wie in der vorliegenden Arbeit, nur hypothetisch eingestuft werden.