Abstract (deu)
Der Turnsport ist heute ein stark frauendominierter Sport, doch gerade dieser ist ein Sinnbild für die unterschiedlichen Spannungsfelder, in denen sich junge Mädchen zurechtfinden müssen. Einerseits verlangt der Turnsport ein großes Maß an Kraft und Muskelmasse, andererseits wird besonders bei Turnerinnen auf eine grazile, schlanke und feine Bewegung Wert gelegt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss des Turnsports im Turn10-Programm auf das Körperkonzept und das Ernährungsverhalten von jugendlichen Turnerinnen.
Das Körperkonzept umfasst alle Vorstellungen und Bewertungen der eigenen Körperlichkeit und ist sehr eng mit dem Selbstkonzept und dem Selbstwertgefühl verknüpft. Es gibt vielfältige Faktoren, die die Entwicklung des Körperkonzepts beeinflussen. In dieser Arbeit werden als spezielle Einflussfaktoren auf das Körperkonzept von jugendlichen Turnerinnen die Kleidungsvorschriften im Turn10-Programm, das im Turnen geltende Schönheitsideal, die Ernährung, enge Bezugspersonen (wie Eltern, TrainerInnen und TurnkollegInnen) und die Pubertät erörtert.
Das Aussehen und der Körper sind ein stark präsentes Thema im Turnsport. So ist das Tragen von Turnanzügen, die den Körper der Athletinnen in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, bei Wettkämpfen Pflicht. Wenn in einer Sportart ein schlanker Körper, ein möglichst weibliches Aussehen und grazile Bewegungen so entscheidend sind, kann das auch Auswirkungen auf das Ernährungsverhalten von Sportlerinnen haben. Dabei gerät der Gesundheitsaspekt oftmals in den Hintergrund und stattdessen werden Schönheitsideale angestrebt.
Es wurden 6 Turnerinnen im Alter von 13-16 Jahren interviewt und diese Interviews mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Da alle bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen mit SportlerInnen aus dem Kunstturnen durchgeführt wurden, wurden die Ergebnisse dieser Arbeit mit jenen aus dem Kunstturnen in Relation gesetzt.
Es gibt einen deutlichen Unterschied zu den bisherigen Forschungen im Kunstturnen, was vor allem auf den Aspekt des Breitensports des Turn10-Programms zurückzuführen ist. Obwohl der Turnanzug ein sehr brisantes Thema unter den Turnerinnen ist, wird es durch die Erlaubnis, eine Hose über dem Anzug im Turn10-Programm zu tragen, deutlich entschärft. Interessant ist allerdings die scheinbar entgegengesetzte Wirkung des regelmäßigen Sporttreibens für einige Turnerinnen in Bezug auf ihre Ernährungsgewohnheiten. Sie ernähren sich gerade wegen ihres Sports ungesünder, da sie meinen, das Turnen schütze sie ohnehin vor einer Gewichtszunahme. In jedem Fall steht aber ein schlankes und sportliches Schönheitsideal im Vordergrund und nimmt somit am stärksten Einfluss auf das Körperkonzept und das Ernährungsverhalten der hier untersuchten Turnerinnen.