Abstract (deu)
Die westindische Kolonie Suriname stellte im 18. Jahrhundert einen wichtigen Zucker- und Kaffeelieferanten für die niederländische Republik dar. Über diese Plantagenkolonie haben Historiker schon viel geforscht, sowohl in vergleichender und globalgeschichtlicher Perspektive als auch mit Blick auf die großen Linien der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Surinames selbst. Die vorliegende Arbeit hingegen nähert sich der frühneuzeitlichen Kolonialgeschichte Surinames mit einem mikrogeschichtlichen Ansatz.
Anhand eines schmalen aber inhaltsreichen Bündels von Briefen aus Privatbesitz, die der hugenottische Plantagenbesitzer Jaques Roux und sein Neffe im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts in die europäische Heimat geschrieben haben, wird die Lebenswelt der surinamischen Kolonisten in dieser Periode erforscht. Ergänzendes Quellenmaterial stellen die Inventuren einer Plantage im Besitz des Briefeschreibers dar. Die Arbeit untersucht folgende drei Themengebiete:
1) Betrieb und Finanzierung der Plantagen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Spekulationsblase und daraus resultierenden Schuldenkrise der 1760er und 1770er zuteil, in welche auch Jaques Roux aufgrund allzu großzügiger Kredite aus der Republik geriet.
2) Sklaven in Suriname. Hier werden sowohl das Phänomen der marronage (entflohene Sklaven) als auch die Versorgungslage der Sklaven auf Jaques Rouxs Plantage Visserszorg erörtert.
3) Die koloniale Gesellschaft. Als Mitglied eines hugenottischen Netzwerks und der kolonialen Elite spiegelt Jaques Roux in seiner Person viele Attribute, die sich in der Gesellschaft Surinames wiederfinden. Die Briefe bergen allerdings auch die Chance, die gängigen Typisierungen des surinamischen Pflanzers als rücksichtslosen Lebemann und Ausbeuter zu relativieren.
Das Quellenmaterial gibt den Blick auf die alltägliche Realität jener Akteure frei, die die auf Sklavenarbeit basierenden Plantagenbetriebe aufbauten und leiteten, ab den 1760ern jedoch in eine tiefgreifende Schuldenkrise gerieten. Die vorliegende Studie geht über eine bloße Rekonstruktion der Biographie und eine Würdigung dieser Akteure insofern hinaus, als sie die in den Briefen gemachten Aussagen im historischen Kontext der kolonialen Geschichte Surinames interpretiert.