Abstract (deu)
Die Abschlussarbeit befasst sich auf Basis von rollen- und systemtheoretischen Konzepten mit der Frage, wie im Zuge einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung wegen häuslicher Gewalt, Angeklagte und sogenannte OpferzeugInnen in unterschiedlichen Erzählungen unterschiedliche Opferrollen konstruieren und in Anspruch nehmen. Auf Basis einer exemplarischen Fallanalyse wurde zwei Fragen nachgegangen: Wie werden im Rahmen der strafgerichtlichen Hauptverhandlung von unterschiedlichen AkteurInnen verschiedene Opferrollen thematisiert, 'erzeugt' und hervorgebracht. Anschließend wurde nach der Bedeutung gefragt, die diese unterschiedlichen Opferrollen für die richterliche Urteilsfindung und die dadurch vollzogene Feststellung oder Ablehnung der strafrechtlichen Grundunterscheidung in TäterIn und Opfer, haben. Der Fokus der Untersuchung lag auf der Situation von Opferzeuginnen, die sich, weil sie sowohl die Rolle als Zeugin, als auch die Rolle als mögliches Opfer innehaben, mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sehen. Im Zuge des Datenerhebungsprozesses wurden 15 qualitativ teilnehmende Beobachtungen von strafgerichtlichen Hauptverhandlungen durchgeführt und die entsprechenden Gerichtsakten erhoben. Das Datenmaterial wurde im Endeffekt auf einen exemplarischen Fall reduziert, der mittels eines rekonstruktiven Analyseverfahrens bearbeitet wurde. Die Analyse dieses Falles zeigt einerseits, wie aus der Rolle des Angeklagten heraus eine Opferrolle etabliert werden kann und dabei der Opferzeugin die Täterinnenrolle, inklusive der entsprechenden Konsequenzen, zugeschrieben wird. Andererseits konnte herausgearbeitet werden, wie die Opferzeugin, aufgrund ihrer Doppelrolle als Opfer und Zeugin, mit nahezu kontradiktorischen Erwartungen, die unter anderem mit geschlechterstereotypen Vorstellung über das 'Opfersein' zu tun haben, konfrontiert wird. Im Endeffekt zeigt sich, dass im vorliegenden Fall die Rolle des Angeklagten mehr Möglichkeiten bietet eine Opferrolle für sich in Anspruch zu nehmen und verfahrensrelevant zu etablieren, als die Rolle der Opferzeugin.