Abstract (deu)
Da in bisherigen Forschungsarbeiten noch selten medienwissenschaftliche und postkoloniale Ansätze verbunden werden, um über ihre disziplinären Grenzen hinaus neue Perspektiven zu erlangen, standen in dieser Arbeit theoretische Inputs aus der Entwicklungsforschung und der Medienethik im Fokus, um die Forschungsfrage, inwiefern gegenwärtige Grenzen und Maxime der journalistischen Ethik im deutschen Medienraum Ansätze für „entwicklungsspezifische“ Leitwerte der medialen Repräsentation des globalen Südens liefern, zu beantworten. Da sich die qualitative Forschung basierend auf der Grounded-Theory-Methodologie insbesondere auf die Daten- und folgende Theoriegenerierung via offener und flexibler Interviews stützt, wurde die asymmetrische Diskursmacht innerhalb medialer Repräsentationssysteme am Beispiel des Welthungers greifbar gemacht. Die Auswertung der Gespräche mit den SchlüsselakteurInnen – AuslandskorrespondentInnen im globalen Süden sowie HeimjournalistInnen in Deutschland mit „Entwicklungsfokus“ – führten zu drei relevanten, aufeinander aufbauenden Analysedimensionen. Nicht nur auf deskriptiver Ebene konnten bisherige Studienergebnisse zu medialen Fehlrepräsentationen um die Strukturmerkmale des Eurozentrismus, der Homogenisierung und des Anthropozentrismus theoriegenerierend erweitert werden. Auch auf normativer Ebene konnten fünf übergeordnete Leitwerte – Grenzwertbewusstsein, Überzeugung, Wahrhaftigkeit, Empathie und Permanenz – generiert werden, die wiederum auf der dritten, metaethischen Ebene in individuellen, globalen und systemtheoretischen Verantwortungskriterien verortet wurden, um das journalistische Handeln im Sinne der Leitwerte zu befähigen. Während die Analyse der Leitwerte herausstellte, dass es darüber hinaus eine Auflösung der dualistischen Ethik zwischen Deontologie und Teleologie benötigt, um zu einer höheren Ethik zu gelangen, zeigte die Verortung im Verantwortungskonzept, dass trotz Hervorhebung der individual- und professionsethischen Verantwortung aufgrund systemtheoretischer Überlegungen lediglich von einer hoch gestuften Mitverantwortlichkeit der SchlüsselakteurInnen gesprochen werden kann.