Abstract (deu)
Die vorliegende Diplomarbeit betrachtet zwei konkrete Publikationen weiblicher lateinamerikanischer Zeugnisliteratur im Spannungsfeld zwischen Fakt, Fiktion und Trauma: María Teresa Tulas "Este es mi testimonio: María Teresa Tula luchadora pro-derechos humanos de El Salvador" (1995), herausgegeben von Lynn Stephen und Rigoberta Menchú Tums "Me llamo Rigoberta Menchú y así me nació la conciencia" (2000) herausgegeben von Elizabeth Burgos Debray.
Beide Werke verschriftlichen Beschreibungen der traumatischen Erlebnisse welche ihre Protagonistinnen während der in El Salvador ab den 1980er, und in Guatemala ab den 1960er Jahren etablierten Militärregierungen erleiden mussten, und machen der westlichen Welt Informationen über die vom salvadorianischen und guatemaltekischen Staat während der Bürgerkriege begangenen Menschenrechtsverletzungen zugänglich. In diesem Zusammenhang ergeben sich nicht nur Fragen bezüglich der Objektivität und des Wahrheitsgehalt solch subjektiver Zeugnisse, sondern auch bezüglich der Möglichkeiten und Grenzen von Literatur als Medium von Trauma-Verarbeitung. Unter Anwendung der Methode des ‚close reading‘ analysiert diese Arbeit somit die beiden im Zentrum stehenden Werke im Hinblick auf die folgenden Forschungsfragen:
1. Wie werden Wahrheit und Wirklichkeit in schriftlicher Konstruktion bezeugt?
2. Literatur als Medium von Trauma-Verarbeitung: Wie kann individuelles und kollektives Trauma durch ein Subjekt und sein Schreiben verarbeitet werden?
Diese Fragen werden durch die Aufbereitung und Anwendung zentraler Konzepte aus Trauma-Theorie, Literaturtheorie (Gattungstheorie und Erzähltheorie), Feministischer und Gender-Theorie, sowie Postkolonialer Theorie beantwortet.
In Bezug auf die erste Forschungsfrage zeigt diese Arbeit, dass Wirklichkeit und Wahrheit in beiden Zeugnissen vor allem durch die von der Erzählinstanz ausgeübte ‚Beglaubigungsfunktion‘, ‚Wirklichkeitsaussagen‘ mit starkem historisch-politischem Realitätsbezug und die begleitenden Paratexte konstruiert werden. Im Hinblick auf die zweite Frage ergibt die Analyse, dass literarisches Schaffen einen positiven Beitrag zur Verarbeitung traumatischer Erlebnisse leisten kann, ein Mangel an angemessenen Trauerritualen auf gesellschaftlicher Ebene jedoch ein wiederholtes Ablegen des eigenen Zeugnisses erzwingen, und somit eine Retraumatisierung bedingen kann.