Abstract (deu)
Diese Masterarbeit untersucht die Rezeption der sogenannten „Gerasimov-Doktrin“ im Diskurs der USA und der NATO. Bei der „Gerasimov-Doktrin“ handelt es sich um eine Rede des russischen Generalstabschefs vor der Russischen Akademie der Militärwissenschaften vom Jänner 2013. Westliche BeobachterInnen schrieben im Verlauf der Ukrainekrise diesem Vortrag den Status eines Plans der Durchführung der russischen Intervention auf der Krim und im Donbass zu. Diese Sichtweise wird jedoch von einigen ExpertInnen angezweifelt und der Begriff „Gerasimov-Doktrin“ wird in Frage gestellt.
Inspiriert von diesen abweichenden Interpretationen untersucht diese Masterarbeit ausgewählte Thinktanks und militärische Forschungseinrichtungen, welche im Zeitraum 26.01.2013 bis 31.10.2018 zum Suchbegriff „Gerasimov“ publiziert hatten.
Das theoretische Fundament dieser Arbeit bildet der epistemologische Konstruktivismus, demzufolge die sogenannten epistemic communities eine relationale Funktion im politischen Entscheidungsprozess einnehmen. Sie bereiten komplexe Sachverhalte als für politische Akteure „nützliches Wissen“ auf. In dieser Arbeit werden Thinktanks, wegen ihrer Funktion als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik, als solche Gemeinschaften angesehen. Als Methode wurde ein diskursanalytischer Zugang gewählt, welcher auf der strategieorientierten Diskursanalyse von Turowski/Mikfeld basiert und entsprechend der Freiheit des Konzeptes angepasst wurde. Für die Strukturierung der Ergebnisse wurde auf die von Ina Kraft vorgeschlagene Unterteilung in Dynamik und Funktionen (Generierung von Aufmerksamkeit, Vereinfachung, Legitimierung von eigenen Forderungen) zurückgegriffen.
Die Analyse der Diskurse zeigte Unterschiede in deren Dynamik. So erlebte der NATO-Diskurs seinen Höhepunkt bereits 2015/16, während dieser in den USA erst 2017 erreicht wurde. Diskursübergreifend wurde festgestellt, dass vor allem jene Beiträge, die sich nur oberflächlich auf Gerasimov beziehen, meist nur Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit erzeugen. Die umfangreiche „Gerasimov-Doktrin“ wird weiters auf zwei Kernelemente – die höhere Effektivität nicht-militärischer Mittel und die gewachsene Bedeutung von Informationskriegsführung – reduziert. Vor dem Hintergrund einer globalen Konkurrenz zwischen Russland und dem Westen werden damit die drei Kernforderungen Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz, sowie Ausbau militärischer Kapazitäten und Stärkung der NATO legitimiert.