Abstract (deu)
Ein kleiner türkisfarbener See und ein umwerfendes 360 Grad Bergpanorama bieten die Kulisse für den Ort Nako (Oberes Kinnaur, Himachal Pradesh, Indien) und kreieren eine einzigartige Ästhetik. Nako ist eines der wenigen Hochgebirgsdörfer im Himalaya, in denen sich historische Architekturschichten bis heute erhalten haben und wertvolle Informationen zur Siedlungsentwicklung in Bezug auf kulturellen, politischen und sozio-ökonomische Veränderungen liefern. Nako ist auch heute noch ein wichtiger religiöser Ort entlang einer großen Pilger- und Handelsroute, aber nur seine frühen buddhistischen Tempel wurden bisher von der kunsthistorischen Forschung und von Konservierungsspezialisten beachtet. Diese Dissertation analysiert die historische Entwicklung von Nakos Wohngebäuden von ihren frühesten erhaltenen Fundamenten (ca. 18. oder spätestens 19.Jh.) bis zur Gegenwart. Die Studie zeigt dabei auf, dass die Wohnarchitektur, im Gegensatz zu dem stagnierenden und dichotomen Bild, das häufig in der Wissenschaft von Nako konstruiert und im heutigen Diskurs verewigt ist, eine formale und typologische Vielfalt aufweist, die in Relation zu der veränderten Position des Ortes, heute an der Grenze des historischen Westtibet im heutigen Indien zu sehen darstellt.
Als erste systematische Dokumentation und Untersuchung von Wohnbauten an dieser Grenze bedient sich diese Studie einer interdisziplinären Methodik, die Kunstgeschichte, Architektur und Anthropologie miteinander verbindet. Analysiert werden Hausformen, Grundrisse und Funktionen der Gebäude, um diese dann in einen breiten historischen Kontext einzuordnen und einen Vergleich mit Siedlungen anderer Grenzregion des Himalaya zu ermöglichen. Anhand der Geschichtsschreibung des Dorfes und der Untersuchung lokaler Primärquellen zeigt die Studie, wie unterschiedliche Vorstellungen von Nakos einzigartiger architektonischer Identität aus ‘konstruierten’ Visionen einer romantisierten, heiligen Landschaft entstehen. Die Dissertation leistet einen entscheidenden Beitrag zur Klärung der Biographie des Dorfes, welches bisher in erster Linie als ‘ein mit Tempeln geschmückter Ort’ angesehen wird und schafft eine typologische und chronologische Grundlage für die zukünftige Auseinandersetzung mit sich wandelnden Wohntraditionen des Himalaya. Das soll gleichzeitig auch entscheidende Nachwirkungen auf die zukünftige Erhaltung und Entwicklung in kleinen Grenzdörfern haben.