Abstract (deu)
In kooperativen Brutsystemen bietet das uneigennützige Verhalten von oft nicht verwandten Helfen eine Unterstützung für die Aufzucht der Jungen des Brutpaares. Um als Helfer in einem kooperativen Brutsystem akzeptiert zu werden, muss ein Individuum gewisse soziale Fähigkeiten besitzen, wie zum Beispiel die Fähigkeit sich um die Jungen zu kümmern und sich angemessen zu verhalten, um in der Brutfamilie zu bleiben. Diese sozialen Fähigkeiten zeigen oft ein großes Maß an verhaltensbezogener Flexibilität, wobei das soziale Umfeld, welches ein Individuum in seinem frühen Leben erfährt, besonders wichtig für die korrekte Entwicklung dieser phänotypischen Merkmale zu sein scheint. Vor allem die Interaktionen mit den Eltern und den Geschwistern scheinen eine wichtige Rolle für die Entwicklung dieser Merkmale zu spielen. Es wurde zum Beispiel gezeigt, dass ein bereichertes soziales Umfeld die soziale Kompetenz erhöht, und im Gegenzug die Aufzucht in einem deprivierten sozialen Umfeld die soziale Kompetenz verringert. Was jedoch unklar bleibt, ist, ob der Einfluss des frühen sozialen Umfeldes auf genetisch verwandte Individuen beschränkt ist, oder ob fremdartige Zieheltern und -geschwister einen ähnlichen Einfluss auf die Ausbildung sozialer Kompetenz haben können.
Die vorliegende Studie untersuchte den Einfluss des frühen sozialen Umfeldes auf das Wachstum und die Komplexität des Sozialverhaltens zweier Cichliden gleicher Gattung mit unterschiedlichen Brutsystemen, einerseits bei den biparentalen, monogamen N. caudopunctatus, und andererseits bei den kooperativen Brütern N. pulcher. Genauer gesagt wollten wir herausfinden, ob es möglich ist, das soziale Repertoire und die Komplexität durch Fremdaufzucht zu erweitern. Wir erwarteten, dass die Spezies mit einem niedrigeren Level sozialer Komplexität, N. caudopunctatus, ein erweitertes Repertoire an sozialem Verhalten zeigt und sich in sozial herausfordernden Situationen angemessener verhält, wenn sie in einem bereicherten sozialen Umfeld aufwuchs, als N. caudopunctatus, die in einem natürlichen Umfeld aufwuchsen. Gleichzeitig erwarten wir auch, dass N. pulcher; die in einem sozial deprivierten Umfeld aufwuchsen, ihr sozialverhalten verringern und sich in sozial herausfordernden Situationen weniger angemessen verhalten, als N. pulcher, die in einem natürlichen Umfeld aufwuchsen.
Wir konnten zeigen, dass, in einem gewissen Maße, N. caudopunctatus, welche in einem bereicherten sozialen Umfeld aufwuchsen, sich in sozial herausfordernden Situationen angemessener verhalten. Jedoch ist dies vom Kontext abhängig und jener einer Situation präsenter, die die ihrer Aufzucht wiederspiegelt, als in einem Wettstreit um eine Ressource. Wir konnten jedoch ein erweitertes soziales Repertoire nach dem Vorbild von N. pulcher nicht feststellen, was vielleicht auf eine genetische Disposition desgleichen hindeutet und es deshalb für N. caudopunctatus unmöglich ist, dieses zu erweitern.
Diese Studie bietet einen Nachweis für die fördernden Auswirkungen eines bereicherten sozialen Umfeldes auf das Verhalten im späteren Leben. Weiters zeigt sie, dass der Einfluss des frühen sozialen Umfeldes sich nicht auf die Grenzen der Spezies beschränkt, sondern über diese hinaus reichen kann. Damit reiht sich diese Studie in die stetig wachsende Anzahl an Forschungsarbeiten im Bereich der Verhaltens- und Entwicklungsbiologie ein.