Diese Masterarbeit entstand in der wissenschaftlichen Begleitung des genderkritischen und interaktiven
Theaterstücks „Cinderella – my fairy rights“, das vom TdU Wien für Kinder im Wintersemester 2018/19
umgesetzt wurde. Der Fokus der Arbeit liegt auf der Frage, wie Geschlecht durch den Impuls des
Theaterstücks von den Eltern und PädagogInnen als Co-Konstrukteure von Geschlecht (vgl. Dahlberg,
2004) ausverhandelt, auf welche Geschlechterdiskurse und auf welches Geschlechterwissen dabei
rekurriert wird. Der Analyserahmen setzt sich zusammen aus theoretischen Bezügen zu Simone de
Beauvoir, Pierre Bourdieu, Judith Butler, sowie darauf aufbauend aus neueren Erkenntnissen aus der
deutschen Geschlechterforschung von Nina Degele und Angilka Wetterer. Darüber hinaus beleuchtet
die Arbeit Prozesse der Geschlechterdifferenzierung bzw. des Doing-Gender (vgl. Kubandt, 2016, vgl.
Gildemeister/Hericks, 2014) in der Verschränkung mit dem Theaterprojekt und seinen theoretischen
und methodischen Bezügen zum Theater und der Pädagogik der Unterdrückten. Der epistemologische
Zugang der Arbeit baut auf poststrukturalistische und dekonstruktivistische Prämissen auf und ist von
einer hohen Relevanzsetzung von Diskursen/ diskursiven Praktiken gekennzeichnet. Das empirische
Ausgangsmaterial bilden eine Gruppendiskussion mit RezipientInnen des Theaterstücks im Kontext
einer Wiener Kindergruppe, sowie drei Expertinneninterviews mit den Initiatorinnen des
Theaterprojekts. Das Datenmaterial wurde einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) und
Saldaña (2012) unterzogen und förderte folgende Forschungsergebnisse zutage: Das genderkritische
Theaterstück dient den Rezipientinnen vorwiegend als Impuls, um Geschlecht vor dem Hintergrund der
Alltagserfahrungen mit den Kindern und im Kontext der Kindergruppe zu reflektieren. Dabei wird auf
latent vorhandenes Geschlechterwissen (der Zweigeschlechtlichkeit, vgl. Wetter 2008) zurückgegriffen
und Geschlecht vor der Folie der Differenz ausverhandelt. In der Analyse wird darüber hinaus – trotz
weitgehenden Konsenses über die soziale Bedingtheit und Konstruktion von Geschlecht – ein
beständiger Stellenwert biologistischer Erklärungsmodelle für Geschlechterdifferenz deutlich, wobei die
Alltagserfahrung mit Kindern eine Tendenz in diese Richtung zu bestärken scheint. Die
Forschungsergebnisse zeichnen ein Bild der Externalisierung von Prozessen der
Geschlechterdifferenzierung, sowie – im Vergleich zu den als hegemonial empfundenen äußeren
Einflussfaktoren – eine geringe Relevanzsetzung der eigenen Rolle in der Geschlechterkonstruktion (der
Kinder). Meine Arbeit kommt daher zu dem Ergebnis, dass das Theaterprojekt, um seinem postulierten
Auftrag der Infragestellung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen gerecht zu werden, zusätzlich zur
Dekonstruktion stereotyper Geschlechterrollen im Theaterstück verstärkt die Dekonstruktion des
115
Geschlechterwissens und der individuellen Wissenssysteme in den Blick nehmen müsste. Dadurch ließe
sich das Potential von Reflexion, Ausverhandlung und potentieller Infragestellung von
Geschlecht(erwissen) in ein (diskursives und praktisches) Handlungsfeld für die theaterpädagogische
Gender-Arbeit in der Elementarbildung im Speziellen und das Theater und die Pädagogik der
Unterdrückten im Allgemeinen transferieren.
This Master’s Thesis is scientifically observing an interactive and gender critical theatre project titled
“Cinderella – my fairy rights”, that is being realized by the TdU (theatre of the oppressed) Vienna during
the winter semester of 2018/19. My work focuses on gender negotiations and the parent’s and
pedagogue’s reflections on the theatre play as co-constructors of gender (vgl. Dahlberg, 2004) and
shines light on their underlying gender discourses and knowledge base. The analytical framework
recourses to Simone de Beauvoir, Pierre Bourdieu and Judith Butler and is expanded by Nina Degle’s
and Angelika Wetterer’s perceptions and approaches on gender. Processes of differentiation and of
doing gender are being analytically entangled with the theatre project and it’s theoretical and
methodological connections to Augusto Boal’s theatre of the oppressed and Paulo Freire’s pedagogy of
the oppressed. Epistemologically, this research is applying post structural and deconstructionist
perspectives with close attention to discourses and (discursive) practises. The empirical material was
being generated threw a group discussion with recipients of the theatre play and interviews with the
project’s initiators and was undertaken a qualitative content analysis according to Mayring (2008) and
Saldaña (2012). The research concludes that the reflections on the theatre play recourses a) largely to
everyday experiences with children and b) on latently existing gender knowledge which is widely
characterised as knowledge on gender differences (vgl. Wetterer, 2008 on the hegemony of the gender
dualism). Therefore, this dualistic knowledge base on gender is also structuring the gender negotiations
in the examined group discussion on the theatre play. Even though the analysis shows a broad consent
on the social determination and construction of gender, biological explanatory models about gender
differences remain solid and seem to be partly further strengthened threw everyday experiences with
children. Processes of differentiation and of doing gender are being externalised as ‘outside influences’
and are rewarded as more relevant in the children’s construction of gender then the parent’s and
pedagogue’s personal role in the process. Hence, I advise, that the theatre project, in order to meet it’s
claim of questioning power relations and hierarchies regarding the gender system, should – additionally
to destructing stereotypical gender roles in the theatre play – also set sight on the deconstruction of
gender knowledge (systems). Thus, the potential of reflecting, negotiating and questioning gender
(knowledge) could be transferred into a (discursive and practical) field of action considering gender
116
education for the theatre pedagogy specifically and for the theatre and the pedagogy of the oppressed
generally.
Diese Masterarbeit entstand in der wissenschaftlichen Begleitung des genderkritischen und interaktiven
Theaterstücks „Cinderella – my fairy rights“, das vom TdU Wien für Kinder im Wintersemester 2018/19
umgesetzt wurde. Der Fokus der Arbeit liegt auf der Frage, wie Geschlecht durch den Impuls des
Theaterstücks von den Eltern und PädagogInnen als Co-Konstrukteure von Geschlecht (vgl. Dahlberg,
2004) ausverhandelt, auf welche Geschlechterdiskurse und auf welches Geschlechterwissen dabei
rekurriert wird. Der Analyserahmen setzt sich zusammen aus theoretischen Bezügen zu Simone de
Beauvoir, Pierre Bourdieu, Judith Butler, sowie darauf aufbauend aus neueren Erkenntnissen aus der
deutschen Geschlechterforschung von Nina Degele und Angilka Wetterer. Darüber hinaus beleuchtet
die Arbeit Prozesse der Geschlechterdifferenzierung bzw. des Doing-Gender (vgl. Kubandt, 2016, vgl.
Gildemeister/Hericks, 2014) in der Verschränkung mit dem Theaterprojekt und seinen theoretischen
und methodischen Bezügen zum Theater und der Pädagogik der Unterdrückten. Der epistemologische
Zugang der Arbeit baut auf poststrukturalistische und dekonstruktivistische Prämissen auf und ist von
einer hohen Relevanzsetzung von Diskursen/ diskursiven Praktiken gekennzeichnet. Das empirische
Ausgangsmaterial bilden eine Gruppendiskussion mit RezipientInnen des Theaterstücks im Kontext
einer Wiener Kindergruppe, sowie drei Expertinneninterviews mit den Initiatorinnen des
Theaterprojekts. Das Datenmaterial wurde einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) und
Saldaña (2012) unterzogen und förderte folgende Forschungsergebnisse zutage: Das genderkritische
Theaterstück dient den Rezipientinnen vorwiegend als Impuls, um Geschlecht vor dem Hintergrund der
Alltagserfahrungen mit den Kindern und im Kontext der Kindergruppe zu reflektieren. Dabei wird auf
latent vorhandenes Geschlechterwissen (der Zweigeschlechtlichkeit, vgl. Wetter 2008) zurückgegriffen
und Geschlecht vor der Folie der Differenz ausverhandelt. In der Analyse wird darüber hinaus – trotz
weitgehenden Konsenses über die soziale Bedingtheit und Konstruktion von Geschlecht – ein
beständiger Stellenwert biologistischer Erklärungsmodelle für Geschlechterdifferenz deutlich, wobei die
Alltagserfahrung mit Kindern eine Tendenz in diese Richtung zu bestärken scheint. Die
Forschungsergebnisse zeichnen ein Bild der Externalisierung von Prozessen der
Geschlechterdifferenzierung, sowie – im Vergleich zu den als hegemonial empfundenen äußeren
Einflussfaktoren – eine geringe Relevanzsetzung der eigenen Rolle in der Geschlechterkonstruktion (der
Kinder). Meine Arbeit kommt daher zu dem Ergebnis, dass das Theaterprojekt, um seinem postulierten
Auftrag der Infragestellung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen gerecht zu werden, zusätzlich zur
Dekonstruktion stereotyper Geschlechterrollen im Theaterstück verstärkt die Dekonstruktion des
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Geschlechterwissens und der individuellen Wissenssysteme in den Blick nehmen müsste. Dadurch ließe
sich das Potential von Reflexion, Ausverhandlung und potentieller Infragestellung von
Geschlecht(erwissen) in ein (diskursives und praktisches) Handlungsfeld für die theaterpädagogische
Gender-Arbeit in der Elementarbildung im Speziellen und das Theater und die Pädagogik der
Unterdrückten im Allgemeinen transferieren.
This Master’s Thesis is scientifically observing an interactive and gender critical theatre project titled
“Cinderella – my fairy rights”, that is being realized by the TdU (theatre of the oppressed) Vienna during
the winter semester of 2018/19. My work focuses on gender negotiations and the parent’s and
pedagogue’s reflections on the theatre play as co-constructors of gender (vgl. Dahlberg, 2004) and
shines light on their underlying gender discourses and knowledge base. The analytical framework
recourses to Simone de Beauvoir, Pierre Bourdieu and Judith Butler and is expanded by Nina Degle’s
and Angelika Wetterer’s perceptions and approaches on gender. Processes of differentiation and of
doing gender are being analytically entangled with the theatre project and it’s theoretical and
methodological connections to Augusto Boal’s theatre of the oppressed and Paulo Freire’s pedagogy of
the oppressed. Epistemologically, this research is applying post structural and deconstructionist
perspectives with close attention to discourses and (discursive) practises. The empirical material was
being generated threw a group discussion with recipients of the theatre play and interviews with the
project’s initiators and was undertaken a qualitative content analysis according to Mayring (2008) and
Saldaña (2012). The research concludes that the reflections on the theatre play recourses a) largely to
everyday experiences with children and b) on latently existing gender knowledge which is widely
characterised as knowledge on gender differences (vgl. Wetterer, 2008 on the hegemony of the gender
dualism). Therefore, this dualistic knowledge base on gender is also structuring the gender negotiations
in the examined group discussion on the theatre play. Even though the analysis shows a broad consent
on the social determination and construction of gender, biological explanatory models about gender
differences remain solid and seem to be partly further strengthened threw everyday experiences with
children. Processes of differentiation and of doing gender are being externalised as ‘outside influences’
and are rewarded as more relevant in the children’s construction of gender then the parent’s and
pedagogue’s personal role in the process. Hence, I advise, that the theatre project, in order to meet it’s
claim of questioning power relations and hierarchies regarding the gender system, should – additionally
to destructing stereotypical gender roles in the theatre play – also set sight on the deconstruction of
gender knowledge (systems). Thus, the potential of reflecting, negotiating and questioning gender
(knowledge) could be transferred into a (discursive and practical) field of action considering gender
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education for the theatre pedagogy specifically and for the theatre and the pedagogy of the oppressed
generally.