Abstract (deu)
Die Deserteure der Deutschen Wehrmacht wurden durch die NS-Militärjustiz brutal verfolgt und für ihre Tat häufig mit dem Tode bestraft. Doch selbst nach Kriegsende 1945 blieb eine Neubewertung ihrer Rolle für den Niedergang des nationalsozialistischen Regimes weitgehend aus. Zu groß war die Angst der Politiker davor, durch die Anerkennung und Rehabilitierung der Deserteure die für Wahlsiege überaus wichtigen und wesentlich zahlreicheren heimkehrenden Soldaten und deren Familien als WählerInnen zu verlieren. So mussten die Wehrmachtsdeserteure ausgegrenzt und verachtet und ohne Entschädigung und Würdigung ihrer Widerstandshandlung leben.
Erst im Verlauf der 1980er-Jahre rückten die Wehrmachtsdeserteure allmählich wieder in das öffentliche Interesse, als die Aufarbeitung ihrer Geschichte, nicht zuletzt im Kontext der Friedensbewegungen dieser Zeit, ihren Anfang nahm. Die ersten Initiativen zur Errichtung von auf sie bezogenen Erinnerungszeichen, Denkmälern und Gedenktafeln wurden ins Leben gerufen und dienten teilweise dazu, der Thematik mehr Platz im politischen Diskurs einzuräumen. Heute gelten die Wehrmachtsdeserteure Deutschlands und Österreichs als politisch rehabilitiert.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Rolle der Deserteure in der Erinnerungs-kultur Österreichs und Deutschlands und mit der Frage, wie die zeitliche Verzögerung des Rehabilitierungsprozesses zwischen diesen beiden Ländern zu erklären ist. Zu die-sem Zwecke wurde mittels Literatur- und Internetrecherche und Experteninterview die Veränderung des Diskurses um Wehrmachtsdeserteure sowie deren Bild in der Öffentlichkeit seit dem Zweiten Weltkrieg untersucht.
Es lässt sich feststellen, dass das Bild der Wehrmachtsdeserteure zu jeder Zeit eng mit dem der anderen Wehrmachtsoldaten verbunden ist, jedoch auch, wesentlich allgemeiner, mit dem jeweils gegebenen Umgang mit der NS-Vergangenheit.